Koran-Streit: Kirche verweist auf Religionsfreiheit

Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau hat nun im Streit um das Koran-Projekt radikaler Muslime das Recht auf Religionsfreiheit betont. Es obliege aber dem Verfassungsschutz, zu prüfen, ob die dahinter stehende Organisation seriös sei. Das Innenministerium erklärte unterdessen, es nehme die Bestrebungen der Islamisten "sehr ernst".

Von PRO

Gegen das kostenlose Verteilen von Bibel- oder Koranexemplaren hat die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) grundsätzlich nichts. "Wir leben in einem Staat, in dem Religionsfreiheit garantiert ist", sagte EKHN-Sprecher Stephan Krebs am Freitag in Darmstadt. Es komme aber darauf an, ob eine seriöse Gruppierung hinter einer solchen Aktion stehe. Ob dies bei den Salafiten der Fall sei, müsse der Verfassungsschutz entscheiden. Krebs verwies auf große Unterschiede zwischen den gedruckten Fassungen von Koran und Bibel. Für Christen zähle vor allem der Inhalt der Bibel, nicht das Papier. Dies sei im Islam anders, wo jedes Koran-Exemplar eine extrem große Bedeutung habe. Die Bibel etwa könne problemlos auf den Boden gelegt werden. "Das ist für Muslime völlig undenkbar", sagte der EKHN-Sprecher. "Das sollten die Leute wissen, die das annehmen."

Die Bundesregierung hat unterdessen besorgt auf die Ankündigung radikal-islamischer Salafiten reagiert, Millionen Koran-Exemplare in Deutschland verteilen zu wollen. "Das Bundesinnenministerium nimmt die aktuellen salafitischen Bestrebungen sehr ernst", sagte ein Ministeriumssprecher am Freitag in Berlin. Die Salafiten seien seit geraumer Zeit im Visier der Verfassungsschutzbehörden und würden seit Ende 2010 unter anderem auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet.

"Da endet die Religionsfreiheit"

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann erklärte in Berlin, die Gruppe der Salafiten benutze die Religion nur als Deckmantel. "Sie betreibt in Wirklichkeit eine aggressive Propaganda." Und: "Nicht jeder Salafit ist ein Terrorist. Aber die Gruppe der Salafiten hat ein ambivalentes Verhältnis zur Gewalt und bietet einen Nährboden für Terrorismus." Die Anhänger der Gruppe sollten isoliert werden. "Wir sollten all jene Muslime unterstützen und bestärken, die einen modernen und weltoffenen Islam wollen." Laut dem nordrhein-westfälischen Innenminister Ralf Jäger (SPD) sind die Salafiten fest im Blick von Verfassungs- und Staatsschutz. "Wir beobachten sie auf vielfältige Weise", versicherte er am Freitagmorgen im Sender "WDR 5".

Zu der Verteilung von Koranschriften sagte Jäger, nicht die Schrift sei das Problem, sondern die Absicht, mit dem Koran in der Hand extremistische Ideologien zu verbreiten. Jede Gemeinde habe das Recht, einen Informationsstand der Salafiten zu untersagen, wenn Teilnehmer dort zur Gewalt aufriefen, betonte der Minister. Jäger bekräftigte, dass das Grundgesetz die Religionsfreiheit schütze, nicht aber, wenn es um den Aufruf zur Gewalt oder die Anwendung von Gewalt gehe. "Da endet diese Religionsfreiheit, da ist der Staat gefragt, mit allen möglichen Mitteln der Strafverfolgung hier auch entgegenzuwirken. Das tun wir auch." Sollten Verbote möglich sein, würden sie auch angewandt. Aber das reiche nicht. "Vor allem: Wir müssen die Jugendlichen davor schützen, sie stark machen, dass sie auf solche Ideologen nicht hereinfallen", empfahl der SPD-Politiker.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Bundestag, Volker Beck, sagte im "Deutschlandfunk": "Die wichtigste Prävention gegen diese Gruppe ist natürlich das Wort. (…) Da fordere ich sowohl die islamischen Verbände auf als auch die Moschee-Gemeinden vor Ort, in den nächsten Tagen auch vor dieser Gruppe zu warnen – und das in der Sprache der Moschee, so dass das von den Menschen auch entsprechend verstanden wird." Am Freitag teilte die religionspolitische Sprecherin der Unions-Fraktion im Bundestag, Maria Flachsbarth, mit: "Das Recht zu missionieren, seinen Glauben frei zu wählen und gegebenenfalls zu wechseln, sind verbindliche Elemente der Religionsfreiheit – die aber auch für Christen in islamischen Ländern gelten müssen." Selbstverständlich seien neben der Religionsfreiheit auch die anderen Werte des Grundgesetzes. "Wer das vergisst, wer Religion politisch instrumentalisiert und unter dem Deckmantel der Religion Gewalt gegen vermeintlich Ungläubige fordert, der muss sich Kritik und Argwohn gefallen lassen", erklärte sie weiter.

Verteil-Aktion geht weiter

Am kommenden Wochenende sollen wieder kostenlose Koran-Exemplare in deutschen Fußgängerzonen verteilt werden. Nach Informationen von "Welt Online" aus Sicherheitskreisen haben die Organisatoren des Koran-Projekts für den kommenden Samstag bundesweit insgesamt 38 Info-Stände bei den zuständigen Ämtern angemeldet. Die Korane sollen unter anderem in Hamburg, Berlin, Kiel, Lübeck, Offenbach, Wiesbaden und Darmstadt unter die Bevölkerung gebracht werden. Initiatior Abou Nagi rief seine Anhänger am Donnerstagnachmittag auf, durchzuhalten und weiter Korane zu verteilen. "Was mich sehr verärgert ist, dass die Kuffar (Ungläubigen) alles versuchen um dieses Projekt zu stoppen und sogar schon die Druckerei beeinflusst haben", zitiert die "Welt" aus einem Netz-Video. "Bei Allah, dieses Koranprojekt ist das Beste, was ich und dieses Land jemals gesehen habe", soll Abou Nagi da sagen.

Der Zentralrat der Muslime distanziert sich unterdessen vehement von der Kampagne. Ihr Vorsitzender Aiman Mazyek erklärte in einem Gespräch mit der "Deutschen Presse-Agentur" (dpa): "Grundsätzlich ist gegen eine Weitergabe des Korans an Interessenten nichts einzuwenden. Aber eine millionenfache Verteilung des Korans vor dem Hintergrund der Ängste und Vorurteile gegenüber Muslimen ist höchst umstritten. Auch deswegen findet das bei der Mehrheit der Muslime keine Anerkennung. Denn hier wird das Wort Gottes als PR-Gag instrumentalisiert und als Massenware verteilt. Der Koran soll durch ein gutes Beispiel gelernt, gelehrt und auch geehrt werden. Ohne die Erläuterungen den Koran einfach in dieser Weise in Straßen und an Haushalte zu verteilen, das konterkariert diesen ganzen Gedanken. Schlimmstenfalls wird das als Altpapier weggeworfen."

Aktion in Ludwigshafen verboten

Eine für diesen Samstag geplante Koran-Verteilaktion von Salafiten in Ludwigshafen ist am Freitag von der Stadt untersagt worden. Der Antrag für einen Infostand in der Innenstadt sei nicht fristgerecht eingereicht und deshalb vom Ordnungsamt verworfen worden, sagte ein Polizeisprecher. An dem Infostand hätten auch Koranexemplare verteilt werden sollen. Das Ordnungsamt und die Polizei würden am Samstag kontrollieren, ob das Verbot eingehalten wird. (pro/dpa)

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