Konsequenz aus Alkoholfahrt: Käßmann legt alle Ämter nieder

Ihr Schritt kündigte sich zwar an, doch dass Margot Käßmann so schnell Konsequenzen aus ihrer Alkoholfahrt am Wochenende zieht, ist überraschend. Am Mittwoch gab die 51-Jährige bekannt, von ihren Ämtern zurückzutreten. Sie legt sowohl ihren Ratsvorsitz der EKD als auch ihr Bischofsamt der hannoverschen Landeskirche nieder.
Von PRO

Margot Käßmann war gerade einmal seit Oktober 2009 Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland. Seit 1999 stand die Theologin als Bischöfin der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannover vor.

"Hiermit erkläre ich, dass ich mit sofortiger Wirkung von allen meinen kirchlichen Ämtern zurücktrete. Ich war mehr als zehn Jahre mit Leib und Seele Bischöfin und habe all meine Kraft in diese Aufgabe gegeben. Ich bleibe Pastorin der hannoverschen Landeskirche", sagte Käßmann am Mittwoch im EKD-Kirchenamt in Hannover. Sie könne und wolle nicht darüber hinweg sehen, dass ihr Amt und ihre Autorität als Landesbischöfin sowie als Ratsvorsitzende beschädigt seien. "Die Freiheit, ethische und politische Herausforderungen zu benennen und zu beurteilen, hätte ich in Zukunft nicht mehr so wie ich sie hatte. Die harsche Kritik etwa an einem Predigtzitat wie ‚Nichts ist gut in Afghanistan‘ ist nur durchzuhalten, wenn persönliche Überzeugungskraft uneingeschränkt anerkannt wird."

"Es tut mir leid, dass ich viele Menschen enttäusche, die mich gebeten haben, in meinem Amt zu bleiben", sagte Käßmann weiter. "Einer meiner Ratgeber hat mir gestern ein Wort von Jesus Sirach mit auf den Weg gegeben. ‚Bleibe bei dem, was dir dein Herz rät‘. Und mein Herz sagt mir ganz klar: Ich kann nicht mit der notwendigen Autorität im Amt bleiben."

"Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand"

Dem Rat der EKD danke sie, dass er ihr das Vertrauen ausgesprochen habe. "Ich danke allen Mitarbeitern der EKD, die mich unterstützt haben und mir in manchem Sturm die Treue gehalten haben". Käßmann dankte auch ihren vier Töchtern, dass sie ihre Entscheidung mittragen.

Für den von ihr vielfach zitierten Glaubensgrundsatz "Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand" sei sie in der aktuellen Situation dankbar.

Die Amtsgeschäfte des Ratsvorsitzenden wird kommissarisch Käßmanns bisheriger Stellvertreter, der rheinische Präses Nikolaus Schneider, übernehmen.

Allianzvorsitzender Werth bedauert Rücktritt

Der Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz, Jürgen Werth, bedauerte den Rücktritt Käßmanns. "Ich bedauere es sehr, dass sie nicht länger an der Spitze der evangelischen Kirche in Deutschland steht. Wir haben uns als Evangelische Allianz über ihre Wahl zur Ratsvorsitzenden sehr gefreut, weil sie eine Brückenbauerin ist", sagte Werth im Interview mit ERF Radio. Es sei schade, dass es zu diesem tragischen Vorfall gekommen sei. Werth bezeichnete ihre Entscheidung zum Rücktritt dennoch als richtig. "Ich wünsche ihr von Herzen Gottes Segen und ich wünsche der evangelischen Kirche in Deutschland, dass sie die Frage der Nachfolge möglichst gut, geräuschlos und bald lösen kann."

Ihre Entscheidung kommt durchaus überraschend, zumal Käßmann seit dem ersten Bericht über ihre Alkoholfahrt in der "Bild"-Zeitung am Montag von vielen Seiten Unterstützung erhalten hatte. Das Leitungsgremium der EKD, das Rat, hatte am Mittwochmorgen sein "einmütiges Vertrauen" in Käßmann bekundet. Gleichzeitig aber kündigten die 14 Ratsmitglieder an, auf ihrer kommenden regulären Sitzung, die am Freitag in Tutzing stattfindet, eine "abschließende Bewertung" vorzunehmen. Wörtlich hieß es in der Erklärung weiter: "In ungeteiltem Vertrauen überlässt der Rat seiner Vorsitzenden die Entscheidung über den Weg, der dann gemeinsam eingeschlagen werden soll."

Solche Zeilen kündigten bereits an, dass der EKD-Rat seiner Vorsitzenden die Entscheidung über Konsequenzen aus einer Autofahrt mit 1,54 Promille nicht nur "überlässt", sondern auch nahelegte. Das "ungeteilte Vertrauen" mag sich also mehr auf die Entscheidungsfähigkeit Käßmanns denn auf ihr Verbleiben im Amt bezogen haben.

Von zahlreichen Politikern erhielt Käßmann in den vergangenen 48 Stunden massive Rückendeckung. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagte etwa den "Stuttgarter Nachrichten", Geistliche seien auch nur Menschen, die Heiligkeit der Kirche beziehe sich nicht auf die Heiligkeit der Amtsträger. Der CSU-Politiker und Vize-Präses der Synode der EKD, Günther Beckstein, sah in der Alkoholfahrt von Käßmann ebenfalls keinen Grund für einen Rücktritt. "Bischöfin Käßmann hat sicher einen Fehler begangen, sie hätte einen Chauffeur oder ein Taxi nehmen sollen", sagte der frühere bayerische Ministerpräsident den "Nürnberger Nachrichten". Er ging jedoch nicht davon aus, dass Käßmann zurücktrete. "Auch eine Bischöfin ist keine Heilige, sondern nur ein Mensch, der fehlbar ist."

Der Wittenberger Theologe Friedrich Schorlemmer bezeichnete in der "Leipziger Volkszeitung" die Alkoholfahrt Käßmanns als einen "Blackout, der leider immer wieder Leuten passiert, die in öffentlichen Ämtern unter Dauerstress stehen". Es handele sich dennoch um eine Verfehlung, die nicht einfach zu rechtfertigen sei. Er rate Käßmann, offen zu ihrem Fehler zu stehen, auch wenn es nicht einfach werde.

Göring-Eckardt: "Nicht akzeptabel"

Die Präses der Synode der EKD und Grünen-Politikerin Katrin Göring Eckardt äußerte sich am Dienstagabend in der "Tagesschau" nicht ganz so eindeutig solidarisch mit Käßmann. "Das ist nicht akzeptabel, dass man mit 1,5 Promille Auto fährt", sagte Göring-Eckardt. Sie wisse zwar aus Gesprächen mit Käßmann, dass diese von ihrem Fehlverhalten selbst am meisten getroffen sei, und deshalb respektiere sie, dass sich die Bischöfin jetzt für eine Zeit zurückziehen werde. Ihre Arbeit schätze sie gleichzeitig außerordentlich.

Die Polizei hatte Käßmann am vergangenen Samstag gegen 23 Uhr in der Innenstadt von Hannover alkoholisiert am Steuer ihres Dienstwagens erwischt. Die Beamten stoppten den Wagen der Bischöfin, weil sie eine rote Ampel überfahren hatte. Bei der Kontrolle rochen die Beamten Alkohol und unterzogen Käßmann einem Atemalkoholtest. Die Bischöfin sei zudem mit zur Wache genommen worden, dort wurde ihr eine Blutprobe entnommen. Die Staatsanwaltschaft Hannover leitete am Dienstag ein Ermittlungsverfahren gegen Käßmann ein. Die Laboruntersuchung der Blutprobe hatte einen Wert von 1,54 Promille ergeben.

Nachdem die "Bild"-Zeitung am Montag über das Delikt berichtet hatte, sagte Käßmann an Dienstag alle Termine der kommenden Tage ab. Am Abend dann berieten die 14 Mitglieder des Rates der EKD, ob das Alkoholvergehen der Bischöfin Konsequenzen in ihrem Amt als höchste Repräsentantin der rund 25 Millionen Protestanten in Deutschland nach sich ziehen sollte.

Die Bischöfin zeigte in dem "Bild"-Bericht bereits Reue: "Ich bin über mich selbst erschrocken, dass ich einen so schlimmen Fehler gemacht habe", zitiert die Zeitung die EKD-Ratsvorsitzende. "Mir ist bewusst, wie gefährlich und unverantwortlich Alkohol am Steuer ist. Den rechtlichen Konsequenzen werde ich mich selbstverständlich stellen." (pro)

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