Kongress für Psychotherapie und Seelsorge: Auseinandersetzung am Siedepunkt

Die beschauliche hessische Universitätsstadt Marburg rückt immer mehr in den Fokus der bundesweiten Öffentlichkeit. Grund dafür ist die Auseinandersetzung um den 6. Internationalen Kongress für Psychotherapie und Seelsorge, der vom 20. bis 24. Mai in Marburg stattfindet. Begleitet von einem enormen Medienecho machen linksgerichtete und homosexuelle Verbände Stimmung gegen die Veranstaltung – und übertreiben maßlos. Von Johannes Weil
Von PRO

Zur Vorgeschichte: Veranstaltet wird der Kongress, für den Stadt und Universität Marburg Räume zur Verfügung stellen, von der „Akademie für Psychotherapie und Seelsorge e.V.“. Die Akademie hat den Zweck, Begegnungen zwischen Psychotherapie und christlicher Seelsorge in Wissenschaft und Praxis zu fördern. Unter den Referenten des jetzt anstehenden Kongresses in Marburg sind zahlreiche Fachleute für Psychiatrie, Psychotherapie und Seelsorge.

Erwartet werden in Marburg mehr als 1.000 Teilnehmer, die sich in sieben Hauptvorträgen und 120 Seminaren mit dem Thema „Identität – der rote Faden in meinem Leben“ beschäftigen. Doch gegen den Kongress formierte sich massiver Protest, zunächst aufgrund der Teilnahme von zwei Referenten. Die Gegner initiierten ein Bündnis unter dem Namen „Kein Raum für Sexismus, Homophobie und religiösen Fundamentalismus“, das, wie sie sich selbst bezeichnen, „aus queeren, feministischen, antisexistischen sowie antifaschistischen Gruppen und kritischen Wissenschaftlern“ besteht. Zu den Unterstützern zählen der AStA der Uni Marburg, „Die Linke“ Marburg-Biedenkopf, der Deutsche Gewerkschaftsbund Marburg-Biedenkopf und das Autonome FrauenLesbenReferat der Uni Marburg sowie das Autonome Schwulenreferat der Uni Marburg.

Zum wissenschaftlichen Diskurs gehören unterschiedliche Meinungen

Zunächst richtete sich die Kritik gegen die beiden Seminare von Markus Hoffmann (Wüstenstrom) und Christl Ruth Vonholdt (Deutsches Institut für Jugend und Gesellschaft), mittlerweile wird die gesamte Veranstaltung in Frage gestellt: „Unser Protest richtet sich nicht nur gegen einzelne Seminare, sondern gegen den gesamten Kongress und dessen homophobe Grundausrichtung. Stadt und Universität sollten dem Einhalt gebieten und sich für eine Gleichberechtigung und die Bekämpfung von Homophobie einsetzen“, fordert die Bündnissprecherin Nora Nebenberg. Angeprangert wird „die irrationale, weil sachlich durch nichts zu begründende Angst vor homosexuellen Menschen und ihren Lebensweisen“. Den Referenten wird vorgeworfen, sich für eine „Heilung Homosexueller“ auszusprechen.

Das Bündnis sieht darin menschenverachtendes Denken, das „in den Räumen einer Universität nichts verloren hat“. Der wissenschaftliche Mainstream habe im Gegensatz zu den Evangelikalen schon vor 30 Jahren erkannt, dass „Homosexualität“ nicht krankhaft sei. In diesem Zusammenhang wird sogar von der Verbreitung „pseudowissenschaftlicher und diskriminierender Positionen“ gesprochen. Unterstützung erhält das Aktionsbündnis dabei von universitärer Seite, denn auch der Präsident der FH Frankfurt hat die angeblich „homophoben Beiträge“ im Rahmen des Kongresses kritisiert.

Eher gelassen reagiert dagegen der Marburger SPD-Oberbürgermeister Egon Vaupel: „Als Oberbürgermeister sehe ich keine Veranlassung, die Ausrichtung dieses Kongresses in der Stadthalle zu untersagen“. Zum Diskurs auf wissenschaftlicher Ebene gehöre auch die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Meinungen. „Sollte es allerdings zutreffen, dass Herr Hoffmann und Frau Vonholdt Positionen vertreten, die sich gegen homosexuelle Identitäten und Lebensweisen richten, distanziere ich mich“, relativiert er. Dies könne aber nicht bedeuten, den Mietvertrag für die Stadthalle aufzuheben. Vielmehr gelte es, die Problemstellungen klar zu benennen und für klare Aussagen zu sorgen.

Dass die Auseinandersetzung um den Kongress mittlerweile „auf der Straße angekommen“ ist, haben auch die Verantwortlichen der Theologischen Hochschule Tabor, der Marburger Mission und des Christus-Treffs an den eigenen Gebäuden erfahren. Kongressgegner, denen es nicht mehr um eine sachliche Auseinandersetzung geht, hatten am Wochenende mehrere Häuser, Schilder und Schaukästen mit Parolen beschmiert. Tief enttäuscht zeigten sich die Verantwortlichen über die Aggression gegen evangelische Einrichtungen der Universitätsstadt: „Mit solchen Aktionen werden in unserer Stadt Grundrechte unserer Demokratie, wie Meinungs- und Glaubensfreiheit sowie Eigentumsrechte verletzt“, so die Theologische Hochschule Tabor.

„Asoziale, Hassprediger und Brandstifter“

Netzwerke von linksgerichten Verbänden und Homosexuellengruppen versuchen weiter ihren Einfluss geltend zu machen. Bereits am 7. April hatte die Fraktion der „Linken“ im Marburger Stadtparlament einen Antrag gestellt, der den Magistrat und damit die Stadtregierung beauftragen sollte, bei dem Kongress auch Vertreter von Organisationen der Schwulen und Lesben zu Wort kommen zu lassen.

Für Aufsehen sorgte außerdem eine von 360 Personen unterzeichnete Erklärung unter dem Titel „Für Freiheit und Selbstbestimmung“. Darin wird etwa gefordert, Meinungsfreiheit zu garantieren, insgesamt wird der Kongress in Marburg unterstützt. Marburgs Bürgermeister Franz Kahle soll die Unterzeichner des Papieres in der Sitzung eines städtischen Ausschusses als „Asoziale, Hassprediger und Brandstifter“ beschimpft haben, was Vertreter verschiedener Fraktionen des Stadtparlaments bestätigten. Dass Homosexuelle in die Nähe von Depressionen, Ängsten und Suizidgefährdung gerückt würden, kritisierte er scharf.

Auch von Homosexuellenverbänden werden die Unterzeichner der Erklärung scharf kritisiert. Laut Hartmut Rus vom Lesben- und Schwulenverband handelt es sich hier um die „Crème de la Crème der Homohasser“. In der Fragestunde des Hessischen Landtages hat die Grünen-Fraktion das Thema aufgegriffen. Der Abgeordnete Kai Klose kündigte an, dass „wir Grüne gegen diese Seminare protestieren“ werden. Im Internet-Netzwerk „facebook“ haben schon 600 Nutzer ihre Unterstützung beim Protest gegen die Seminare dokumentiert.

Der „ChristusTreff Marburg“ wandte sich unterdessen in einer Stellungnahme gegen die Diffamierungen. Roland Werner, Leiter des Christus-Treffs und einer der Referenten des Kongresses, forderte die Öffentlichkeit auf, dafür Sorge zu tragen, dass „Christen in unserer Gesellschaft einschränkungsfrei leben und ihren Beitrag leisten können.“

Debatte von „Hass und Affekt“ bestimmt

Der Kongress für Psychologie und Seelsorge will zu einem vorurteilsfreien und fachlichen Austausch über unterschiedliche Themen und Positionen beitragen. Das sagte der  Vorsitzende der Akademie für Psychotherapie und Seelsorge (APS), Martin Grabe, am Donnerstag in Marburg vor Journalisten. Die Veranstalter forderten zudem eine sachliche Auseinandersetzung über die Kritik, die Verbände in den vergangenen Wochen geäußert hatten. Die Veranstalter der Akademie für Psychotherapie und Seelsorge zeigten sich von der in dieser Form geführten Debatte überrascht.

Die Debatte sei insgesamt von „Hass und Affekt“ geprägt, so Dietmar Seehuber, Chefarzt der Sozialpsychiatrischen Abteilung der Klinik Hohe Mark. Der Kongress sei zu einem „Homoheiler- und Homophobie-Kongress“ stilisiert  worden. Auf dem Kongress komme das Thema Homosexualität in keinem der Seminare vor, erläuterte Seehuber. Jedoch richte sich die Kritik eines Aktionsbündnisses, von Verbänden und einzelner Politiker eben gegen jene angeblichen Ansichten von Referenten zum Thema Homosexualität.

Den Vorwurf, die kritisierten Referenten Vonholdt und Hoffman würden eine „Umpolung“ von Homosexuellen befürworten, wiesen die Veranstalter zurück. Zudem hätten sich auch beide Referenten von der Ansicht distanziert, Homosexualität sei eine Krankheit. Streitpunkt mit Kritikern sei vielmehr die Frage, wie ein Umgang mit Menschen zu gestalten sei, die unter ihrer sexuellen Orientierung leiden. Mit dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) sei sich die APS einig darüber, dass es eine Änderung sowohl von heterosexueller zu homosexueller Orientierung als auch umgekehrt geben könne, so Seehuber.

„Potential Christenhass“ bei Kritikern

„Kritiker des Kongresses machen auf unverantwortliche Weise Stimmung gegen den Kongress“, so Seehuber weiter. Ihm seien in Rundschreiben und Veröffentlichungen Aussagen zugeschrieben worden, die er nie geäußert habe. Dieses Vorgehen sehen die Veranstalter mit Sorge. „Es gibt ein Potential, die unberechtigte Kritik an dem Kongress zu einem allgemeinen Christenhass umschlagen zu lassen. Das wird schon an Beschmierungen von evangelischen Einrichtungen deutlich, die nichts mit dem Kongress zu tun haben“, sagte Grabe. Dabei wendet sich der Veranstalter nicht gegen Demonstrationen, die in einer Demokratie normal seien. „Dennoch  sehen wir die Gefahr, dass es zu Ausschreitungen und Gewalt kommen kann“, so der 1. Vorsitzende der APS.

Die Veranstalter riefen in der noch immer andauernden Debatte um den Kongress daher zu einer Rückkehr zur Sachlichkeit auf. Ihnen gehe es nicht um Polarisierung, sondern um einen Dialog über Sach- und Fachfragen. Ziel des Kongresses in Marburg ist es, eine Plattform zu bieten, um christliche Therapeuten und Seelsorger ins Gespräch zu bringen. „Dies soll auf einer fachlich guten Ebene mit einem weiterführenden Austausch stattfinden“, erläuterte Grabe. Die Teilnehmer kommen überwiegend aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, aber auch aus Weißrussland und Paraguay.

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