Konferenz in Rom beleuchtet Zuwachs an Evangelikalen

Auf einer dreitägigen Konferenz haben Vertreter der katholischen Kirche von Dienstag an in Rom das Phänomen der wachsenden evangelikalen Kirchen diskutiert. Als Fazit ziehen mehrere Geistliche: die Kirche von Rom sollte sich dem Pluralismus öffnen und Ängste gegenüber anderen Formen des Christseins abbauen.
Von PRO
Mit einer Konferenz in Rom ging ein jahrelanges Forschungsprojekt zu Ende, das sich mit neuen geistliche Bewegungen befassen sollte: Charismatische Heilungsgottesdienste, Megachurches, direkte und aggressive Werbung und ein großer Zulauf. Wie „Radio Vatikan“ berichtet, hatte der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der deutschen Bischofskonferenz, der Bischof von Rottenburg Stuttgart, Walter Kasper, vor zwanzig Jahren eine Studie initiiert, welche das Phänomen theologisch und empirisch erfassen sollte. Beispielhaft nahm sich die Studie einzelne Länder vor: Costa Rica für Lateinamerika, Ungarn für Europa, die Republik Südafrika für den afrikanischen Kontinent und die Philippinen für Asien.

Bei der Konferenz sei deutlich geworden, dass über die Beispielländer hinaus viele Unterschiede bestehen, auch innerhalb der Kontinente und selbst in nächster Nachbarschaft, sagte der vatikanische Ökumenebeauftragte, Kardinal Kurt Koch, gegenüber „Radio Vatikan“. Beim Rückblick auf fünfzig Jahre ökumenische Dialoge müsse die katholische Kirche feststellen, dass sich seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil „unendlich viel geändert“ habe. Einer der wesentlichen Faktoren sei, „dass das Ziel der ökumenischen Bewegung nicht mehr klar ist“. Koch weiter: „Wir haben mit den Evangelikalen, mit den Charismatikern und den Pentekostalen eine ganz andere Fragestellung, als mit den Orthodoxen.“ Rein zahlenmäßig seien diese neuen Bewegungen die zweitgrößte christliche Realität nach der römisch-katholischen Kirche. Man könne von einer „Pentekostalisierung“ des Christentums sprechen, so Koch in Bezug auf das Fachwort für die Pfingstbewegung.

Selbstkritik der katholischen Kirche gefordert

Die größte Herausforderung sowohl für die katholische als auch für die protestantischen sei das Schwinden der Mitgliederzahlen, so Koch. „Deshalb kann diese Frage nur in einer Selbstkritik angegangen werden. Die römisch-katholische Kirche muss sich die Frage stellen, was sie falsch mach und was mit ihr los ist, dass Mitglieder ihre Kirche verlassen und Kontakt und Mitgliedschaft in solchen Bewegungen suchen.“

Konkrete Beispiel aus seiner Heimat brachte unter anderen der Bischof von Chosica, einem Stadtteil von Lima in Peru, Bischof Norbert Strotmann MSC, zur Sprache. Lateinamerika blicke auf eine Geschichte zurück, die von einem „katholischen Monopol“ geprägt gewesen sei. In seiner Diözese betrage der Anteil an Evangelikalen mittlerweile fast 25 Prozent, so Strotmann. „Wir stehen in Lateinamerika immer noch mit dem offenen Mund vor einer neuen Wirklichkeit, die wir so nicht kannten.“ Als Folge war jahrzehntelang die katholische Position den neuen Bewegungen gegenüber negativ besetzt. Jetzt müsse sich aber auch die katholische Kirche in Lateinamerika dem Pluralismus öffnen.

Pater Johannes Müller, Professor und Leiter des Instituts für Gesellschaftspolitik der Hochschule für Philosophie in München, sagte gegenüber „Radio Vatikan“: „Was die Evangelikalen besser können, ist, sich zu inkulturieren. Sie können stärker auf die Probleme vor Ort eingehen und man findet dort Antworten, die besser sind. Das ist das Defizit auf unserer Seite.“ Das sei etwa bei der Liturgie und der Übersetzung von Texten der Fall. Auch Müller plädiert infolgedessen für Pluralität in der katholischen Kirche: „Wir müssen viel mehr die vielfältigen Formen möglich machen. ‚Katholisch’ heißt eigentlich plural, aber da ist vieles neu zu entdecken.“ Dazu müsse man als erstes einmal die Angst verlieren, auch die Berührungsängste vor den Anderen. Noch viel zu sehr sehe man die Gefahr oder die Herausforderung. (pro/rv)
http://de.radiovaticana.va/news/2013/04/12/evangelikale,_pentekostale,_charismatiker:_herausforderungen_f%FCr_di/ted-682225
https://www.pro-medienmagazin.de/kommentar.html?&news[action]=detail&news[id]=6498
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