"Parteien müssen heute neu um ihre Legitimität kämpfen, sie sind nicht mehr so selbstverständlich in der Bevölkerung akzeptiert", so Haderthauer. Als Grund führte sie das veränderte Verhältnis der Bürger zur Kollektivität an, das sich auch bei den Mitgliedszahlen von Kirchen und Gewerkschaften zeige. Die Politikerin sprach sich für mehr Dialog zwischen der Politik und den Wählern aus, politische Inhalte dürften sich aber nicht nur durch Umfragen ergeben: "Der Anspruch der Parteien ist, dass sie etwas bewirken wollen, das wichtig und richtig ist, und die Menschen davon zu überzeugen. Wenn man einfach sagt ‚Upps, es gibt eine neue Umfrage‘, und danach dann seine Inhalte ausrichtet, könnte man statt Parteien gleich Demoskopen installieren, die Inhalte an die Ministerien kommunizieren!"
Die Familienministerin erklärte, dass es in politischen Debatten oft gute Argumente auf beiden Seiten gebe. "Daher entscheiden die Menschen oft emotional, auf der Beziehungsebene." Darauf müssten sich die Parteien einstellen. Haderthauer kritisierte Menschen, die nur in die Politik gingen, um ein möglichst komfortables Amt zu erhalten: "Wenn es nur um die Karriere geht, dann sind Inhalte und Prinzipien ja eher hinderlich." Solche Kolleginnen und Kollegen, die es in allen Parteien gebe, würden die Kampfkraft ihrer Organisationen schwächen.
"CSU muss Inhalte besser kommunizieren"
Ihrer eigenen Partei warf Haderthauer vor, sich nicht genug auf gesellschaftliche Veränderungen eingestellt und ihre Kommunikation angepasst zu haben. "Die Art der Kommunikation sagt viel über das Menschenbild aus", erklärte sie. Gerade Streit und Intrigen in einer Partei wirkten auf die Wähler abschreckend. Als Frau erlebe sie es oft, nur als "nettes, hübsches Mädel" angesehen zu werden. "Bei so einer Stimmung hilft auch keine Frauenquote: Es geht darum, wie in der Partei mit Frauen umgegangen wird."
In Deutschland habe sich über Parteigrenzen hinweg ein politischer Mainstream gebildet, der die früher einfache Unterscheidung zwischen politischen Richtungen nun unmöglich mache: "Aber es muss doch gerecht zugehen", sei eine Floskel, die in jeder Partei unterschrieben werde, und auch in der Union gebe es Stimmen, die das Ehegattensplitting ablehnten oder das Adoptionsrecht homosexueller Paare befürworteten – Positionen, die früher undenkbar gewesen seien. Gleichwohl betonte sie: "Die Rezepte von gestern sind nicht mehr die Rezepte von heute. Jede Zeit hat ihre Denke, und in manchen Dingen muss die CSU kommunikativ mitgehen."
Haderthauer kritisierte, dass es sich viele Bürger abgewöhnt hätten, Verantwortung zu übernehmen. "Daran sind wir Politiker schuld. Wir haben immer gesagt: ‚Du hast ein Problem – gib es mir, ich löse es für dich‘." In einer Gesellschaft, in der es üblich sei, sämtliche Probleme an den Staat zu delegieren, hätten die Menschen nicht mehr das Gefühl, Verantwortung übernehmen zu können und zu müssen. "Viele sehnen sich aber nach Verantwortung, und die Piratenpartei gibt ihnen das Gefühl, Verantwortung ausleben zu können – in dem sie kein Programm haben, so dass jeder denkt, er könne maßgeblich mitbestimmen."
Pirat: Das Grundgesetz nicht aushebeln
Bereits am Samstag schilderte der Landesvorsitzende der bayerischen Piratenpartei, Stefan Körner, die Entstehung und die Grundüberzeugungen seiner Partei. Das Vorgehen der Bundesregierung in Sachen Vorratsdatenspeicherung und Internet-Sicherheit habe ihn irritiert und zum Eintritt in die Partei bewogen. "Das Internet ist heute die Basis aller Kommunikation", erklärte er, "und laut Grundgesetz muss das Fernmeldegeheimnis gewahrt bleiben. Das darf nicht ausgehebelt werden, wir haben das Recht zu kommunizieren, ohne dass dies überwacht wird".
Die Bundesregierung sei bereit gewesen, "um mal was gegen Raubkopierer zu tun", das Grundgesetz über Bord zu werfen. Die Bürger dürften nicht unter Generalverdacht gestellt werden, weil eine sehr kleine Gruppe von Menschen über das Internet Terroranschläge plane oder Kinderpornografie konsumiere. Körner positionierte sich klar gegen die Vorratsdatenspeicherung, räumte jedoch ein, nach einem richterlichen Beschluss sollten sich die Behörden durchaus Zugriff auf die Rechner der Verdächtigen verschaffen dürfen. Auch sei eine Ausweitung des "Cyber-Cops" Programms, bei dem in Bayern derzeit 25 Beamte auf Online-Streifzug gehen, sinnvoll. "Bei der Vorratsdatenspeicherung werden beispielsweise auch Verbindungen mit der Telefonseelsorge gespeichert, und die gehen niemanden etwas an", sagte Körner. "Es ist nicht Aufgabe der Polizei, alle Bürger zu überwachen, sondern diejenigen zu identifizieren, die überwacht werden müssen."
Für seine eigene Partei warb der Pirat um Nachsicht: "Wir sind eine junge Partei, wir müssen das alles erstmal ausprobieren. Wir brauchen Zeit. Aber wir sind da, und wir werden bleiben." Körner stellte die Transparenz der politischen Prozesse bei den Piraten heraus: "Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten sind meist im Internet nachlesbar." Positiv sei außerdem hervorzuheben, dass es bei den Piraten keinen Fraktionszwang gebe – "die Piraten im Berliner Abgeordnetenhaus stimmen meistens nicht einheitlich ab, weil jeder nur seinem Gewissen verpflichtet ist". Von Vorteil sei, dass alle Mitglieder in Online-Abstimmungen über die Richtung der Partei zu bestimmten Themen abstimmen könnten: "Jeder hat die Möglichkeit, mitzumachen."
Zu der dreitägigen Konferenz mit dem Thema "Die Zukunft der Parteien" hatte der Politische Club der Evangelischen Akademie Tutzing eingeladen. (pro)