Eine Expertenkommission hat die stellvertretende Chefredakteurin der „Süddeutschen Zeitung“, Alexandra Föderl-Schmid, von Plagiatvorwürfen entlastet. Gleichwohl habe sie gegen journalistische Standards verstoßen, teilte die von der Zeitung eingesetzte Kommission am Donnerstag in München mit. In mehreren Fällen habe Föderl-Schmid nicht kenntlich gemacht, dass sie Teile ihrer Texte beispielsweise aus Wikipedia oder quasi-amtlichen Quellen übernommen habe.
„Wer Föderl-Schmid vorwirft, sie habe systematisch und in großem Umfang plagiiert, versteht nicht, wie tagesaktueller Journalismus funktioniert“, sagte der frühere „Spiegel“-Chefredakteur Steffen Klusmann, der neben der Leiterin der Deutschen Journalistenschule, Henriette Löwisch, und dem Eichstätter Journalistik-Professor Klaus Meier der Kommission angehörte. Der Fall sei von einem Plagiatsskandal weit entfernt. Unter anderem empfahlen die Experten der „Süddeutschen Zeitung“, künftig mehr auf Quellentransparenz zu achten und Text-Übernahmen von Nachrichtenagenturen zu kennzeichnen.
Nach Plagiatsvorwürfen zu ihrer journalistischen Arbeit bei der „Süddeutschen Zeitung“ und ihrer Dissertation hatte sich Föderl-Schmid im Februar aus dem operativen Geschäft der Zeitung zurückgezogen. Sie soll nun in die Redaktion zurückkehren. „Wir freuen uns auf ihre Rückkehr“, erklärte Co-Chefredakteurin Judith Wittwer. In welcher Funktion Föderl-Schmid künftig arbeiten werde, sei noch Gegenstand vertraulicher Gespräche.
Das Portal „Medieninsider“ hatte im Dezember vergangenen Jahres unter Berufung auf eigene Recherchen mittels Plagiatssoftware über eine mangelhafte Quellentransparenz in journalistischen Texten von Föderl-Schmid berichtet. Zudem warf der Salzburger Kommunikationswissenschaftler Stefan Weber der Journalistin Plagiate in mehreren Artikeln sowie „Plagiatsfragmente“ in ihrer Dissertation vor. Er bestätigte, von dem rechtspopulistischen Portal „Nius“ mit einem Gutachten zu der Dissertation beauftragt worden zu sein. Die Paris Lodron Universität Salzburg teilte nach einer Untersuchung der Dissertation Anfang April mit, dass sie kein „relevantes wissenschaftliches Fehlverhalten“ feststellen könne.
Rund 1.100 Artikel auf dem Prüfstand
Die von der „Süddeutschen Zeitung“ eingesetzte Kommission untersuchte nach eigenen Angaben rund 1.100 Artikel von Föderl-Schmid mithilfe der Plagiatssoftware Turnitin. Bei rund 260 Texten seien auffällige Übereinstimmungen mit anderen Quellen gefunden worden. Bei zwei Dritteln dieser Texte beruhten diese Auffälligkeiten aber „schlicht darauf, dass andere Medien Textpassagen Föderl-Schmids übernommen hatten“, hieß es. Das restliche Drittel habe in einem größeren Teil der Texte Passagen aus Nachrichtenagenturen enthalten und in einem kleineren Teil stellenweise die Übernahme von Fakten, Zahlen und Zuordnungen, ohne die Quellen auszuweisen.
Keine Hinweise habe es darauf gegeben, dass Föderl-Schmid „methodisch die journalistische Leistung von anderen in einer Weise kopiert hätte, ohne die ihre eigenen Texte keine Gültigkeit gehabt hätten“, betonten die Experten. Sie habe es an Transparenz fehlen lassen, aber nicht versucht, Übernahmen von Passagen aus anderen Publikationen zu verschleiern.
Die Chefredaktion der „Süddeutschen Zeitung“ erklärte, sie habe bereits vor einigen Wochen damit begonnen, die internen journalistischen Standards zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Das gelte insbesondere für den Umgang mit Nachrichtenagenturen und lexikalischen Inhalten.
Am 8. Februar war Föderl-Schmid als vermisst gemeldet worden. Einen Tag später teilte die „Süddeutsche Zeitung“ mit, dass die Journalistin von der Polizei im österreichischen Braunau gefunden und mit Unterkühlungen in ein Krankenhaus gebracht worden sei. Föderl-Schmid war von 2007 bis 2017 Chefredakteurin der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“. Ab 2017 bis 2020 war sie Korrespondentin der „Süddeutschen Zeitung“ in Israel, seit 2020 ist sie stellvertretende Chefredakteurin der Zeitung.