Islam-Debatte: Wer wozu gehört

Die Debatte um den Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“ ist dermaßen überflüssig und langweilig, dass sich pro-Kolumnist Jürgen Mette fragt, warum keiner das alles entscheidende „gehört zu“ definiert – und tut es selbst.
Von Jürgen Mette
Jürgen Mette hat genug von der langwierigen Diskussion über den Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“

Es reicht. Horst Seehofer vergeigt den GroKo-Start mit einer Debatte, die von Anfang an eins vermissen lässt: eine unaufgeregte differenzierende Meinungsbildung.

Die zunächst von Christian Wulff propagierte und von Kanzlerin Merkel aufgegriffene These „Der Islam gehört zu Deutschland“ wurde von Horst Seehofer parteitaktisch geschickt genutzt und zur Antithese verdreht: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“. Seit dem wird mit empörter oder auch genervter Attitüde das „Gehört-zu-gehört-nicht-zu-Spiel“ betrieben. Die Debatte ist dermaßen überflüssig und langweilig, dass ich mich frage, warum keiner das alles entscheidende „gehört zu“ definiert.

Fundamentalistische Muslime, Wutbürger und Steinewerfer

Es besteht doch kein Zweifel, dass Christen, Juden, Muslime und Atheisten zu Deutschland gehören. „Dazu gehören“ bedeutet hören, verstehen, bejahen, zur Verfügung stehen und sich verbindlich beteiligen. Wer zu Deutschland gehört, der bekennt sich aufrichtig zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung unseres Landes.

Wer Gewalt ausübt und sich dabei auf den Koran bezieht, wer mit der Demokratie hadert und von einer Scharia-Theokratie träumt, wer nach 40 Jahren immer noch mit der deutschen Sprache fremdelt und auf Integration pfeift, der will offenbar gar nicht zu Deutschland gehören. Fundamentalistische Muslime wollen genauso wenig zu Deutschland gehören, wie die angebräunten Wutbürger und die vermummten linken Steinewerfer. Sie verachten unsere Heimat.

Theologische Differenzen zu gravierend

Der Islam gehört nicht zu Deutschland, weil die beiden Systeme nicht kompatibel sind, allein schon vom Demokratieverständnis her. Die sogenannte Ökumene Abrahams ist gut gemeint, der interreligiöse Dialog dringend nötig, aber die Übereinstimmung reicht oft nur bis zum Tee, denn dazu sind die theologischen Differenzen zu gravierend. Das ist keine Degradierung des Islam, sondern Folge eines kritisch-theologischen Faktenvergleichs, nämlich des literarischen Befunds. Was steht in den „heiligen“ Schriften und nach welchem hermeneutischen Schlüssel erschließt man die Texte für unsere Zeit? Wäre das Christentum nicht durch die Krise der Aufklärung und die Bibel nicht durch die Hände der differenzierenden und historischen Bibelwissenschaften gegangen, dann würden Christen vielleicht heute noch ihre Kinder mit der Rute züchtigen.

Vielleicht erleben wir das noch, dass der Islam irgendwann zu Deutschland gehört. Aber das würde eine grundlegende Reform des Islam und der historisch-kritischen Klärung seines heiligen Buches voraussetzen.

„Zu Deutschland gehören alle, die sich an der Gestaltung unserer Heimat zum Wohle aller verbindlich beteiligen.“

Wie wäre es, statt mit der harmoniefrisierten Wulff/Merkel-These und Seehofers trotziger Antithese mit dieser Synthese? Zu Deutschland gehören alle, die sich an der Gestaltung unserer Heimat zum Wohle aller verbindlich beteiligen.

Nicht in grotesker Debatte verkanten

Damit könnte man das endlos hartleibige Palaver beenden und wieder politisch solide seine Hausaufgaben lösen. Ein Aufreger weniger schützt vor Verhärtung der Fronten. Die GroKo soll jetzt ihr ambitioniertes Regierungsprogramm abarbeiten, statt sich in dieser grotesken Debatte zu verkanten. Und der sonst so souveräne Bundestagspräsident sollte sich grundsätzlich nicht auf dieses undifferenzierte Niveau begeben.

Von: Jürgen Mette

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