Palastrevolution im Vatikan ist abgesagt

Hat er oder hat er nicht? Ex-Papst Benedikt soll sich in einem neuen Buch zum Zölibat geäußert haben und dem amtierenden Papst Franziskus in die Parade gefahren sein. Doch offenbar war es anders als gedacht und berichtet. Daraus können andere ehemalige Leiter nur lernen, findet pro-Kolumnist Jürgen Mette.
Von PRO
Der Theologe Jürgen Mette leitete viele Jahre die Stiftung Marburger Medien. 2013 veröffentlichte er das Buch „Alles außer Mikado – Leben trotz Parkinson“, das es auf die Spiegel-Bestsellerliste schaffte. Für pro schreibt er eine regelmäßige Kolumne.

Es sollte ein dickes Brett werden, was die Medien dem emeritierten Papst Benedikt XVI. vor den Kopf nageln wollten: der 92-jährige gebrechliche Sohn Bayerns, auch „Professor Papst“ genannte Gelehrte und Ex-Papa der größten Kirche der Welt, als Erzkritiker seines Nachfolgers Papst. Und zwar ausgerechnet beim umstrittensten Thema der Kirche überhaupt: Wie lange kann Rom den Zölibat für Priester durchhalten?

Am 28. Februar 2013 hatte seit gut 500 Jahren mal wieder ein Papst sein Dienstende selbst bestimmt. Im Normalfall ist es Gott selbst, der seinen „Stellvertreter auf Erden“ durch Entzug der Vitalfunktionen vom Pontifikat erlöst. Benedikt hatte damals angekündigt, sich aus der Tagespolitik des Vatikans rauszuhalten.

Es hätte alles so schön gepasst und das Klischee vom Seniorchef als zornigem alten Mann, der hinter dicken Klostermauern Munition gegen seinen Nachfolger erfindet, wäre mal wieder bedient worden. Ich hatte mir das auch so zurechtgelegt. Der alte Mann in Weiß aus Marktl am Inn, den ich wegen seiner überragenden Jesus-Trilogie besonders schätze, flankiert die Reformpläne des beliebten Oberhirten Franziskus aus Buenos Aires mit Querschüssen zu einer der empfindlichsten Sollbruchstellen des mächtigen Lehramtes: Ist der Verzicht auf Ehe, Sexualleben und Familie als Eingangsvoraussetzung für das Priesteramt noch relevant, oder ist es als Alleinstellungsmerkmal – gerade auch gegenüber der Orthodoxen Kirche – unverzichtbar?

Und immer wieder schlägt ungeduldig die Frage der Massen ins Kontor der Glaubenskongregation, ob nicht der Zölibat die Kirche im Blick auf den sexuellen Missbrauch an Schutzbefohlenen mehr geschadet als genutzt hat.

Alles nur ein Missverständnis?

Benedikt XVI. hat seinen Nachfolger Franziskus I. bereits zuvor indirekt, aber öffentlich kritisiert – und sich skeptisch gegenüber einer Lockerung des Zölibats geäußert. Damit konnte sein Nachfolger gut leben. Das neue Buch war die fünfte öffentliche Meinungsbekundung des Emeritus seit seinem Abtritt:

Benedikt hatte mit Kurienkardinal Robert Sarah aus Guinea, dem neben ihm selbst wohl bekanntesten Verfechter des konservativen Lagers, lange über den beklagenswerten Zustand der Kirche disputiert. Das Ergebnis ist kürzlich als Buch unter dem französischen Titel „Des profondeurs des nos coeurs“ (deutsch: Aus der Tiefe unserer Herzen) beim französischen Verlag Fayard erschienen. Inzwischen hat sich Benedikt nach starker Kritik von der Verantwortung für dieses Buch distanziert. Er bestreitet aber nicht, dass das Gespräch mit Sarah so stattgefunden hat.

Zeit Online titelte am 14. Januar „Papa Emeritus taugt nicht zum Revoluzzer“ und die Tagespost kommentiert den Medienhype so: Bendikt XVII. liefere ein ernstes, ja trockenes theologisches Traktat, das sich an wenigen Stellen mit dem Verhältnis von Weihepriestertum und Zölibat befasst – vor allem in historischer Perspektive. „Geifernde Angriffe auf den regierenden Papst finden sich darin jedenfalls genauso wenig wie Stellungnahmen zu aktuellen innerkirchlichen Debatten. Gepfefferter oder – wohlwollender gesagt – prophetischer sind Vor- und Nachwort Kardinal Sarahs.“ Der Papa Emeritus hat seine Unterschrift unter diese Texte zurückgezogen – oder nie gegeben. Jedenfalls macht er sie sich nicht zu eigen.

Was uns der Fall lehrt

Wie auch immer sich die Wahrheit durchsetzen wird: Wir Ex-Verantwortlichen von Kirchen, kirchlichen Einrichtungen und freien Werken sollten für unsere Nachfolger beten und uns grundsätzlich nur dann äußern, wenn wir um Rat gefragt werden. Und wenn es um gravierende Kurswechsel gehen sollte, können wir uns die Freiheit nehmen, direkt mit unseren Nachfolgern zu sprechen, nicht mit den Mitarbeitern. Mit Vertretern der Aufsichtsgremien sollten wir nur im äußersten Fall einer zerrütteten Leiterschaft das Gespräch suchen. Und die breite Öffentlichkeit über unsere Kritik am Vorgänger zu unterrichten, sollte sowieso nicht das erste Mittel der Wahl sein.

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