Konkurrenz im adventlichen Wartesaal

Warten nervt. Doch Advent heißt genau das: warten. Kann uns diese Zeit tatsächlich auf das Wiederkommen Jesu einstimmen? Die Konkurrenz für ihn als das Objekt der Erwartung ist jedenfalls groß. Eine Kolumne von Jürgen Mette
Von PRO
Viele Jahre leitete der Theologe Jürgen Mette die Stiftung Marburger Medien. Sein Buch „Alles außer Mikado – Leben trotz Parkinson“ schaffte es 2013 auf die Spiegel-Bestsellerliste. Für pro schreibt er eine regelmäßige Kolumne.

Herzlich Willkommen im Wartestand. Advent ist die Zeit des Wartens! Vor 20 Jahren haben wir im Advent auf den Computercrash zur Jahrtausendwende gewartet. Es war dann gar nicht so schlimm.

Vor 16 Jahren haben wir sehnsüchtig oder wehmütig auf den Euro gewartet und das Schlimmste befürchtet. So schlimm war dann auch das nicht. Ich kenne ein paar Frauen, die die Preise heute immer noch in D-Mark umrechnen. Meine Frau gehörte auch mal zu dieser Sorte Mensch, die immer noch jede Preisangabe reflexartig verdoppelt haben, um sich dann zu wundern, wie teuer alles ist, und die Schuhe trotzdem zu kaufen.

Jetzt warten wir darauf, dass die GroKo ihre gute Regierungsarbeit fortsetzt. Die zu einer Kleinpartei zusammengeschrumpfte SPD – circa 13 Prozent würden sie heute wählen – hat eigentlich keine Legitimation, eine Revision der Agenda zu fordern. Die mit 27 Prozent Zustimmung doppelt so schwere CDU/CSU ist zum Regieren verdonnert.

Ihr Spenderlein, kommet!

Es ist noch immer gut gegangen, heißt die Devise, aber wir verdrängen hartnäckig, dass unsere Altersversorgung nie mehr so spendabel funktionieren wird wie bisher, und dass wir in Zukunft ganz viel selbst für unsere Gesundheit bezahlen müssen. Wir warten und hoffen, dass es noch mal gut geht. Wir warten. Auf die Diagnose, auf die Therapie, auf die Bewilligung einer Pflegestufe. Wir warten.

Leiter von Non-profit-Werken warten auf den letzten Tag des Jahres und hoffen, dass das drohende Minus in den nächsten vier Wochen noch einmal von treuen Spendern abgewendet wird. Ich kann die Aufrufe gar nicht mehr alle lesen, die in diesen Tagen die Postboten schwitzen lassen. Die Bittbriefe mir gänzlich unbekannter Spendenwerke landen in „Ablage P“. Die haben zwar ein professionelles Spendenmarketing und ein Fundraising vom Feinsten, die wissen genau, in welcher Tonlage sie welche Altersgruppe ansprechen müssen. Aber es berührt mich nicht. Bei manchen habe ich ohnehin den Eindruck, das Geschreib ist einfach nicht ehrlich und es wird versucht, die eigentlich hausgemachten Fehler anderen anzuhängen, der bösen Welt zum Beispiel oder den Mitbewerbern oder dem Markt.

Ich habe als Leiter eines spendenbasierten Medienwerkes nahezu 20 Jahre lang zur Weihnachtszeit solche Briefe geschrieben. Das war immer ein äußerst sensibles Geschäft.

Und dann sitzt Jesus wirklich mit am Tisch

Und wenn wir jedes Jahr in der Adventszeit das große Warten und Erwarten mit einer Kerzenfolge von eins bis vier ritualisieren und zelebrieren, dann liegt doch die Frage nahe, ob wir denn durchs Warten wirklich auf Jesus und sein letztes Kommen eingestimmt werden. Wer auf den Zug wartet oder auf einen Anschlussflug, der wird nervös, der reagiert hektisch. Wer auf den Befund einer ärztlichen Untersuchung wartet, der rechnet mit dem Schlimmsten oder hofft das Beste.

Was löst das Warten auf Jesus aus? Zeigen sich da nicht irgendwann Abnutzungserscheinungen bei dieser alljährlichen Warterei? Lohnt es sich eigentlich, auf die Ewigkeit zu warten? Wird das zweite Kommen Jesu Christi wirklich die Welt verändern? Kommt da wirklich noch das große Finale?

Ja! Es kommt ganz gewiss – besser: Er kommt. Freue dich Welt, dein König kommt! Er kommt anders, Er kommt unerwartet. Er kommt und Er ist bereits da. In seiner Kirche, in den verfolgten Gemeinden weltweit, die es mit dem Gebet „Komm, Herr Jesus“ ernst meinen. Wenn wir das Tischgebet runterbeten, rechnen wir ja nicht mit ihm als Gast, im Gegenteil, wir sind hinterher froh, dass er nicht mit am Tisch saß.

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