Obacht vor geistlichen „Führern“!

In Südafrika wurden schwere Vorwürfe gegen Erlo Stegen, den deutschen Leiter eines christlichen Missionswerkes, laut: Er führe ein überbordendes Luxusleben, beute aber seine Mitarbeiter aus. Der Fall zeigt: Wenn sich eine christliche Gemeinschaft um einen geistlichen „Führer“ schart statt um Jesus, läuft etwas gründlich schief. Eine Kolumne von Jürgen Mette
Von PRO
Der Theologe Jürgen Mette leitete viele Jahre die Stiftung Marburger Medien. 2013 veröffentlichte er das Buch „Alles außer Mikado – Leben trotz Parkinson“, das es auf die Spiegel-Bestsellerliste schaffte. Für pro schreibt er eine regelmäßige Kolumne.

Ich sehe ihn heute noch vor mir: Ein Landwirt und ehrenamtlicher Prediger, Kirchenvorstandsmitglied, Vater von vier Kindern – wie aus dem Bilderbuch geschnitten. Eine ehrliche Haut, fleißig, erfolgreich und dabei immer demütig und nüchtern. Ein Gottesmann, von denen die Kirche nicht genug haben kann. Er sehnte sich immer nach einer Erweckung.

Eines Tages erzählte er tief ergriffen von der Erweckung unter den Zulus in Südafrika. Das wollte er noch miterleben. Er schloss sich einer Reisegruppe von Erweckungsfreunden an und ließ sich von dem Feuer entzünden. Von dem Tag an gab es für ihn fast nur noch ein Thema: die Kwa Siza Bantu Mission. Das ist eine Gemeinschaft vom missionarisch motivierten Leuten, die von großzügigen Spendern unterstützt werden. Der Gründer und Leiter dieser Gemeinschaft ist Erlo Stegen.

Mein Freund, der Landwirt, fragte mich immer wieder, ob ich Erlo Stegen kennen würde. „Nicht persönlich, aber ich habe schon viel von ihm gehört.“ Und dann erzählte er mir mit strahlenden Augen, dass Kwa Siza Bantu ein Zulu-Begriff sei und bedeute: „Der Ort, an dem Menschen Hilfe erfahren.“ Das klang gut, aber vielleicht habe ich ein Faible für solche Erscheinungen. Ich misstraute dieser Geschichte, je mehr mein Freund diesen Erlo Stegen lobte und pries. Es ging immer weniger um Jesus und immer mehr um Erlo Stegen.

Schon Gott oder noch Mensch?

Erlo Stegen (84), Nachfahre deutschstämmiger Missionare der lutherischen Hermannsburger Mission, hat Ende der Sechzigerjahre im Sog dieser geistlichen Aufbruchsstimmung sein eigenes Missionswerk gegründet. In den vergangenen Jahren war es still um ihn geworden.

Das Magazin „Rapport“ hatte kürzlich von finanzieller Ausbeutung und ständiger Überwachung der Mitarbeiter bei Kwa Siza Bantu berichtet, meldete die evangelische Nachrichtenagentur idea. Eine ehemalige Mitarbeiterin, die die Missionsgemeinschaft verlassen hat, soll der Zeitschrift berichtet haben, sie habe für umgerechnet vier Euro pro Woche arbeiten müssen. Sie und ihre Kollegen hätten sich nicht dagegen gewehrt, weil sie im Glauben waren, Gott selbst habe das angeordnet. Ein 32-jähriger Aussteiger berichtet, dass die Leiter – neben Erlo Stegen auch sein Bruder Friedel – als göttliche Wesen angesehen würden, „die Gott so nahestehen, dass sie keine Sünde mehr begehen“. Ein Augenzeuge berichtete von der Residenz Stegens, einer Villa mit Pool und jeder Menge Personal. Ihm stünden vier Flugzeuge zur Verfügung.

Diese Geschichte erinnert an ähnlich gelagerte Fälle in Südamerika, zum Beispiel die Colonia Dignidad in Chile mit ihrem „Führer“ Paul Schäfer. Auch in Deutschland kommen ehemalige Mitglieder der Colonia Dignidad bei den monatlichen Gottesdiensten von Ewald Frank zusammen. Der damals 82-jährige Prediger und Leiter der „Freien Volksmission“ in Krefeld reiste 2004 in die Villa Baviera und führte dort Massentaufen durch, nach Schäfers Verhaftung wegen Missbrauchs sprach er eine Zeitlang per Video zu den Bewohnern. Wie einst Schäfer beschwört er den nahenden Weltuntergang.

Wann wird es kritisch?

Diese gesteigerte Verehrung eines Führers zeigt immer wieder das gleiche Schema: Eine Elite löst sich vom Fußvolk, schürt Endzeitangst und umgibt den Guru mit Ovationen. Irgendwann sind die unter sich, nahezu sündlos und vom Rest der Welt separiert.

Wie kommt so etwas zustande? Wann ist Wachsamkeit geboten?

  • Wenn einer meint, durch übernatürliche Segnungen Gott selbst reden hören zu haben. Das kann jeder behaupten, darum entziehen sich solche Typen jeder Infragestellung. „God has clearly spoken to me!“ So habe ich es oft gehört.

  • Wenn einer den anderen bevormundet und erniedrigt, indem man ihn mit selektiven und systemstabilisierenden Bibelstellen prägt, und ihm damit ein kleines, aber gefährliches Weltbild aufzwingt.

  • Wenn bestimmte Bücher, Ton- oder Audioträger von bestimmten Führern wie heiße oder verbotene Ware unter der Hand weitergereicht werden. Oder es wird den Mitarbeitern oder Mitgliedern kritische Literatur entzogen, die eine gesunde Entwicklung zur theologischen Unterscheidungsfähigkeit verhindert.

  • Unmündige Menschen sind das treue und willige Baumaterial für ein exklusives und arrogantes Milieu, das Gott die Ehre klaut und das Heilige mit Scheinheiligkeit vermischt. Auf diesem von der Sünde kontaminierten Boden gedeiht Ehre und Reichtum und Geld.

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Eine Antwort

  1. Im Mai 2006 war ich in der Rübenmühle in Wendelsheim bei Alzey, die mit dem Missionswerk Erlo Stegen in Südafrika verbunden ist. Damals war ich auf Stellensuche. Ein älterer Mann, der die Rübenmühle bzw. den Verein leitete, sagte mir, dass die Rübenmühle zwar selbst keine Stelle hat, mich aber diesbezüglich unterstützen wolle. Also reiste ich an.

    Allerdings war ich sehr schnell ernüchtert. Damals war ich Bezieher von Hartz-IV. Für den Leiter stand fest, dass ich in die Rübenmühle ziehen und mir ein Auto anschaffen würde, das selbstverständlich bei seiner Versicherungsagentur – er vertrat die ARAG – zu versichern wäre. Dabei habe ich ihm mehrfach gesagt, dass ich mir, solange ich Hartz-IV beziehe, kein Auto anschaffen werde, weil ich die Kosten nicht tragen könne. Das wurde ignoriert.

    Mehrfach bat ich darum, mit mir darüber zu sprechen, wie denn eine etwaige Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche aussehen würde. Ich wurde vom Leiter angefahren: „Ich bin kein alter Mann, dem man alles hundertmal sagen muss!“ – Dabei bat ich ihn freundlich darum: Schliesslich war die Arbeitslosigkeit für mich ein immenses Problem, dass ich lösen wollte.

    Es wurde von mir erwartet, dass ich in die Rübenmühle ziehe. Dort hätte ich mir ein Zimmer mit einem anderen teilen müssen. Was ich mit meinen Sachen (Möbel, Bücher) machen sollte, die ich dorthin nicht hätte mitnehmen können, blieb eine offene Frage. Zudem hätte ich dort keine Möglichkeit der Stellensuche (Tageszeitung, evtl. Stellenangebot in kostenlosen Werbezeitungen, geschweige denn noch im Internet gehabt. Ich hätte auch keine Möglichkeit gehabt, meinen eigenen Computer mitzubringen, auf dem ich Bewerbungen hätte schreiben und auf meinem persönlichen Printer hätte ausdrucken können. Wie ich zum Job Center ob der schlechten Verkehrsverbindungen hätte kommen sollen, blieb ebenfalls unbeantwortet.

    Wäre ich dorthin gezogen, so hätte dort 150,– Euro für Verpflegung aufbringen müssen, was natürlich angemessen, ja, sogar günstig gewesen wäre. Für ein kleines Zimmer – nicht grösser als eine Gefängniszelle – die ich zudem mit einem Zimmergenossen hätte teilen müssen, wäre eine Miete von 250,– Euro berechnet worden. Gleichzeitig erwartete man die Abführung des Zehnten an die Rübenmühle, bei einem Hartz-IV-Regelsatz von damals 345,– Euro also noch zusätzlich 34,50 Euro, insgesamt also 434,50. Dazu erwartete man Vollzeitmitarbeit und natürlich den Kauf eines Autos, der bei der Agentur des Leiters zu versichern gewesen wäre, womit er auch noch Provisionseinnahmen gehabt hätte.

    Ich wäre in die völlige Abhängigkeit der Rübenmühle – namentlich dessen Leiter und seiner Familie, die sehr wohlhabend war – geraten ohne die Aussicht, eine sozialversicherungspflichtige Vollzeitstelle zu finden. Vielmehr hätte ich das Risiko gehabt, vom Job Center vollends die Leistungen entzogen zu bekommen, weil ich dort schwerlich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden hätte. Nach etwa einer Woche verliess ich enttäuscht die Rübenmühle.

    Hätte man mir Gespräche bezüglich einer etwaigen Unterstützung auf der Arbeitssuche geführt, wäre ich natürlich dankbar gewesen, auch wenn sich im Endergebnis abgezeichnet hätte, dass dies in meinem Fall vielleicht gar nicht möglich gewesen wäre. Natürlich hätte ich mich – so eine realistische Chance auf Verbesserung der Vermittlung auf dem ersten Arbeitsmarkt bestanden hätte – in der Rübenmühle arbeitsmäßig eingebracht. Ich war mir noch nie für irgendeine Arbeit zu schade. Mein Eindruck aber ist, dass die Rübenmühle sektenartige Züge trägt, die Leitung – ein Famlienclan – sich mehr oder weniger für unfehlbar hält und in ihrer Klientel wohl eher billige Arbeitskräfte sieht, an denen man sich bereichert.

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