Pipimachen mit Statement

In manchen Grundschulen in Bayern soll es demnächst zusätzlich zu den bisherigen Toiletten solche für Intersexuelle geben, das sogenannte „dritte Geschlecht“. Das ist löblich, wenn es um das Wohl der Kinder geht, die das betrifft. Aber es stellen sich auch Fragen.Ein Kommentar von Jörn Schumacher
Von Jörn Schumacher
Toiletten für Jungs und Toiletten für Mädchen, das reicht vielen nicht; in manchen bayerischen Grundschulen sollen demnächst zusätzlich Toiletten für das dritte Geschledcht gebaut werden

Wir schreiben das Jahr 2029. In Bayern hat Ministerpräsident Uli Hoeneß soeben einen Hauptsponsorvertrag des FC Bayern München mit allen bayerischen Grundschulen durchgewunken. Um der Sache auf den Grund zu gehen, sieht sich ein Reporter einer überregionalen Zeitung einmal an einer bayerischen Grundschule um und fängt Stimmen ein. Gemeinsam mit einem Lehrer geht er durch das Gebäude. An einer Tür bleibt er stehen.

Es ist die mittlere von drei Türen, die nebeneinander stehen. Auf der linken ist in der Mitte das Symbol eines Mannes, offenbar die Jungen-Toilette. Auf der Tür ganz rechts prangt das Symbol einer Frau im Rock: die Mädchen-Toilette. Auf der Tür in der Mitte aber ist kein Symbol zu sehen. „Die Toiletten“, stellt der Lehrer beiläufig fest. „Und was ist hinter dieser Tür?“, fragt der Journalist seinen Begleiter und deutet auf die mittlere Tür. Eine Weile schaut der Lehrkörper erst die Tür, dann den Reporter an. „Da erwischen Sie mich auf dem falschen Fuß, keine Ahnung“, sagt er.

„Maßgeblich ist das empfundene Geschlecht“

Aus Neugier öffnen sie den Raum: das Licht ist zwar kaputt, aber unter einer Staubschicht erkennt man Regale mit Aktenordnern, Kisten, ein Medizinball, und an der Wand zusammengerollte Landkarten. Auf dem Boden entdeckt der Reporter ein kleines vertaubtes Schild, das offenbar einmal außen an der Tür hing: eine Figur, die links eine Hose an hat, und rechts einen Rock. Der Lehrer fasst sich and den Kopf: „Ach ja, dieser Raum war einmal die Toilette für das dritte Geschlecht.“ Vor zehn Jahren seien diese drei Räume gebaut worden, mit einem Raum in der Mitte für Schüler, die sich nicht eindeutig dem männlichen oder dem weiblichen Geschlecht zuordnen wollen. „Leider hat nie jemand diese Toilette benutzt“, sagt der Lehrer.

Auf dem Weg zurück in seine Redaktion denkt der Reporter nach: Warum wurde in dieser Grundschule in all den Jahren der Toilettenraum für geschlechtlich unentschlossene Schüler so selten benutzt, dass er nach und nach zu einer Abstellkammer wurde? Die Kloschüsseln waren genau die gleichen. Und dann fiel ihm ein Grund ein.

In Deutschland leben Schätzungen zufolge rund 100.000 Intersexuelle, also Menschen, die mit unterschiedlichen Geschlechtermerkmalen ausgestattet sind oder schlicht die Einteilung der Menschen in Männer und Frauen ablehnen, teilt der Lesben- und Schwulenverband Deutschlands (LSVD) mit und betont: „Maßgeblich ist das empfundene Geschlecht.“ In Bayern gibt es rund 450.000 Grundschüler. Statistisch gesehen kommen auf jede der 2.400 Grundschulen in Bayern also 0,2 „intersexuelle Schüler*innen“. Im Januar 2019 ist in mehreren Grundschulen in Bayern eine dritte Toilette für „das dritte Geschlecht“ geplant. Das berichtet am Mittwoch die Deutsche Presseagentur (dpa).

„Neues Denken in Gang setzen“?

Erste Frage: Rechtfertigen 0,2 Kinder pro Grundschule die Umbauarbeiten von Toilettenräumen? Zweite Frage: Warum kann ein intersexuelles Kind, das statistisch etwa in jeder fünften Grundschule Bayerns vorkommt, nicht eine Steh- oder Sitz-Klochüssel benutzen, die bereits vorhanden ist – und zwar in einem Raum mit entweder einem Männchen-Symbol oder einem Frauen-Symbol an der Tür? Erhoffen sich die Verantwortlichen, dass schon ein sechsjähriges Kind entschlossen für die Diversität in der Gesellschaft eintritt? Dass es neben dem Erlernen des Alphabets und der Grundrechenarten noch Energie dafür übrig hat, um gegen die Missachtung der sexuellen Uneindeutigkeit in der Erwachsenenwelt zu demonstrieren, indem es sich bewusst für die „dritte Toilette“ entscheidet? Nicht einfach nur Pipi machen, sondern ein Zeichen setzen? Politisch Stellung beziehen statt nur Wasserlassen? Inwiefern stellt es für ein intersexuelles Kind eine Belastung dar, sich für ein kurzes „Geschäft“ entscheiden zu müssen, auf welche Seite das Pendel seiner sexuellen Identität ausschlägt?

Für Dorothea Weniger von der bayerischen Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sind die neuen Toiletten ein Zeichen der Anerkennung, dass es ein drittes Geschlecht überhaupt gibt, sagte sie der dpa. So soll schon zwischen Erdkunde und Musikunterricht ein „neues Denken“ in Gang gesetzt und Diskriminierung vorgebeugt werden – das sei schließlich auch eines der pädagogischen Hauptziele an Schulen.

Der Münchner Kinderpsychologe Klaus Neumann erklärte, ihm seien keine ernstzunehmenden Studien bekannt, die nachweisen, dass bereits Grundschulkinder sich der Geschlechterdifferenzierung bewusst sind. Die Diplom-Psychologin Nora Gaupp vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) in München hingegen sagt, es gebe einen „substanziellen Anteil von Jugendlichen und Erwachsenen, die sich als transgender bezeichnen“ und davon berichten, schon als Kind ein gewisses „Anderssein“ gespürt zu haben.

Dem Reporter der Zeitung dürfte vor allem ein Gedanke in Erinnerung bleiben: Will ein Kind, das seine sexuelle Identität noch nicht gefunden hat, und sein Geschlecht mit dem der anderen Kinder um sich herum vergleicht und sich fragt, wohin es gehört, diese intime Frage wirklich auch noch dadurch öffentlich machen, dass es für alle sichtbar zum Pipimachen in einen gesonderten Raum geht wie bei der öffentlichen Abstimmung des „Hammelsprungs“ im Bundestag? Die dritte Frage lautet: Wenn es den Schulen in Deutschland so gut geht, dass Räume umgebaut werden sollen, damit Grundschulkinder für eine Gender-Politik der Erwachsenen eintreten sollen, warum redet dann noch irgendwer von Lehrermangel, Baumängeln und veralteten Lehrmitteln?

Von: Jörn Schumacher

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