Mein persönlicher Reformationstag

Man könnte über die abnehmende Bedeutung des Reformationstages lauthals lamentieren, aber man ist nicht dazu verpflichtet. Auch das aufwändig zelebrierte Jubiläumsjahr konnte den Trend nicht umkehren. Wie pro-Kolumnist Jürgen Mette diesen Tag feiert.
Von Jürgen Mette
pro-Kolumnist Jürgen Mette hat am Reformationstag ein ganz besonderes Ritual

Mein ganz persönlicher Reformationstag beginnt immer mit einer Meditation zum zweiten Teil der fünfstimmigen Bach-Motette „Jesu meine Freude“ (BWV 227). Nach dem ergreifend demütig und dankbaren Intro wendet sich der Ton abrupt in das geradezu trotzig vorgetragene „Es ist nun nichts, nichts, nichts Verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind“. Dieses Zitat des ersten Theologen und Völkermissionars Paulus von Tharsus entstammt seinem Brief an die junge Gemeinde in Rom. Die Zeiten damals waren nicht weniger verrückt als heute. Nur dass abends keine kleinen Menschen an Haustüren geklopft und den Hausbewohnern Saures verheißen haben und mit Süßem belohnt wurden.

Ich schreibe eine Liste von Namen auf, die mir vor meinem inneren Auge erscheinen. Menschen wie den ehemaligen Audi-Chef Hubert Stadler, der aus der U-Haft entlassen wurde, Thomas Middelhoff, der in der Haft zum Glauben an diesen Jesus gefunden hat. Ich denke an Angela Merkel und Horst Seehofer, die in der schwersten Belastungsprobe ihrer Karriere unterschiedlich reagieren, deren Lebenswerk am Ende mehr beklagt als bejubelt wird. Ich denke an die einst mächtige Volkspartei SPD, die unter Andrea Nahles den Niedergang der Partei Gustav Heinemanns, Johannes Raus und Hans-Jochen Vogels nicht aufhalten kann. Ich denke an den überraschend uneitlen und besonnenen Robert Habeck, der sich jeder Häme und Schadenfreude enthält und sich vertrauensbildend von den einst zornig-fundamentalistischen Politrabauken absetzt. Ich denke an die unberechenbaren Weltenherrscher Putin und Trump. Und ich notiere den Namen des Krankenpflegers, der hundert Patienten in den Tod gespritzt hat. Sie alle werden einmal vor Gott stehen. Sie alle werden gerecht beurteilt, die Frommen und die Unfrommen. Sie alle bedürfen der Gnade Gottes, sonst sind sie verloren für Zeit und Ewigkeit.

„Unter deinem Schirmen bin ich vor den Stürmen

aller Feinde frei. Laß den Satan wittern, laß den Feind erbittern,

mir steht Jesus bei! Ob es itzt gleich kracht und blitzt,

ob gleich Sünd und Hölle schrecken; Jesus will mich decken.“

Wer das an diesem Tag im Glauben erfasst, der wird sich nicht zurückziehen, wird nicht zum Unrecht schweigen. Wer das beten kann, wer so durch die erfahrene Gnade wieder unbeschwert leben kann, der will das öffentlich machen. Der steht auf und stellt sich gegen alle Untergangsdepressionen unserer Zeit. Wer den Schöpfer anbetet, der wird seinen Glauben in einem neuen Schöpfungsbewusstsein bewähren, in einer von Jesus inspirierten Barmherzigkeit und Solidarität mit den Gescheiterten und Rechtlosen.

„Trotz dem alten Drachen, trotz des Todes Rachen, trotz der Furcht darzu!

Tobe, Welt, und springe; ich steh hier und singe in gar sichrer Ruh!

Gottes Macht hält mich in acht; Erd und Macht muß verstummen,

ob sie noch so brummen.“

(Aus: „Jesu, meine Freude“ von Johann Sebastian Bach)

Ich feiere den Reformationstag, „ob sie noch so brummen“. Die Botschaft dieses Tages lautet: Keine Verdammnis für die, die in Jesus Christus sind. Als Begnadeter darf ich Gnade leben und Gnade gewähren. Danke, Martin Luther, für diese Reform aller Reformen. Das soll mich heute bestimmen. Und wenn abends die schaurig kostümierte Kürbistruppe aufmarschiert, dann sage ich mir:

Drum rate ich zum Kompromiss, trotzt dem Halloween-Beschiss: Kürbissuppe – schön püriert und von Luther inspiriert.

Einen besinnlichen Reformationstag!

Von: Jürgen Mette

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