„AfD-Antrag war Bärendienst für verfolgte Christen“

Der Bundestag hat am Donnerstag über einen AfD-Antrag zur Christenverfolgung debattiert. Verfolgten Christen muss geholfen werden – doch der Antrag erwies ihnen einen Bärendienst. Ein Kommentar von Uwe Heimowski
Von PRO
Uwe Heimowski ist Beauftragter der Deutschen Evangelischen Allianz am Sitz des Bundestages und der Bundesregierung. Er setzt sich dafür ein, das Thema Christenverfolgung auf die Agenda zu heben.

Die Bundesregierung macht Christenverfolgung zum Thema. Nachdem es jahrelang eher einzelne Politiker wie Volker Kauder waren, die sich für verfolgte Christen einsetzten, steht es jetzt ausdrücklich im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD. Wesentliche Forderungen der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA) und anderer sind darin enthalten:

Religionsfreiheit ist ein zentrales Menschenrecht, das weltweit zunehmend eingeschränkt oder komplett infrage gestellt wird. Das gilt für zahlreiche religiöse Minderheiten weltweit. Unsere Solidarität gilt allen benachteiligten religiösen Minderheiten. Dazu zählt der beharrliche Einsatz für viele Millionen verfolgter Christinnen und Christen. Wir werden das Amt der/des Beauftragten der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit schaffen. Wir werden den Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religionsfreiheit im zweijährigen Rhythmus und systematischen Länderansatz fortschreiben. (S. 155 und 156)

Erste Schritte zur Umsetzung sind gemacht: Mit Markus Grübel (CDU) ist der Religionsbeauftragte berufen worden.

Die Opposition hat die Aufgabe, die Bundesregierung an ihre Beschlüsse zu erinnern, sie auf Defizite hinzuweisen und zu schnellem und entschlossenem Handeln zu drängen. Darum begrüßen wir, dass der Deutsche Bundestag am Donnerstag, dem 19. April, das Thema debattiert hat. Anlass war der AfD-Antrag „Christenverfolgung stoppen und sanktionieren“.

Von allen anderen Fraktionen und auch von vielen Medien hat es daraufhin Kritik an der AfD gegeben. Warum eigentlich, fragen sich (auch) viele Christen. Bis zu 200 Millionen Christen auf der Welt sind benachteiligt, verleumdet, drangsaliert, inhaftiert, fürchten um ihr Leben oder werden gefoltert und ermordet. Was kann daran schlecht sein, diesen Antrag vorzulegen? Muss man es schlecht finden, wenn dem Thema Christenverfolgung die Aufmerksamkeit geschenkt wird, die es verdient, nur weil der Antrag von der AfD kommt?

Worum Christen in Not bitten

Drehen wir die Frage um. Was hilft den verfolgten Christen wirklich? Hilft es ihnen, wie im Antrag der AfD formuliert, dass die Bundesregierung sich bevorzugt um Christen kümmern soll? Helfen die geforderten Sanktionen gegen islamische Staaten (die die AfD im Falle Russlands übrigens ablehnt) den Schwestern und Brüdern vor Ort?

Nein, all das hilft nicht im Geringsten. Mache dieser Forderungen bewirken sogar eher das Gegenteil, wie ich in vielen Gesprächen mit Kirchenvertretern des Nahen Ostens und anderen Krisengebieten erfahren habe. „Bitte helft allen Menschen in Not“, sagen sie, „denn sonst entsteht der Eindruck, dass wir Christen der verlängerte Arm des Westens sind, und das macht unsere Situation nur noch schlimmer.“

Ist es nicht richtig, wie Volker Münz (AfD) in seiner Rede, auf Galater 6,10 hinweisen: „Lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen“? Nun, die DEA freut sich immer, wenn die Bibel im Bundestag Gehör findet. Aber wer auf die „Glaubensgenossen“ im zweiten Satz hinweist, sollte auch den ersten mitlesen: „Gutes tun an jedermann“. Staaten und Bevölkerungsgruppen pauschal zu beschuldigen und von Hilfeleistungen auszuschließen, die zukünftig nur für Christen gelten sollen, lässt sich damit jedenfalls nicht begründen.

Im Übrigen ist der Galaterbrief ein Schreiben an eine christliche Gemeinde, nicht an die politische Führung. Wer würde den Satz über ein staatliches Krankenhaus, eine öffentliche Schule oder eine Behörde schreiben und dann Christen bevorzugt behandeln?

Das ist weder christlich (denken wir an den barmherzigen Samariter) noch kann es die Richtschnur für das Handeln einer Bundesregierung sein. Da ist das Grundgesetz glasklar. Es darf in der Bundesrepublik Deutschland keine Ungleichbehandlung von Menschen nach ihrer Religion geben, weder eine Benachteiligung noch eine Bevorzugung, weder eine negative noch eine positive Diskrimierung. In Artikel 4, Absatz 1 heißt es: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.“

Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht – die Bevorzugung oder Abwertung der einen oder anderen Religion stellt dieses Menschenrecht grundsätzlich in Frage. Wer so handelt, rüttelt an den Grundfesten der Demokratie, er stellt das christliche Menschenbild in Frage, nach welchem jeder Mensch als Ebenbild Gottes geschaffen wurde – und er tut den verfolgten Christen einen Bärendienst.

Richtig im Sinne des Galaterbriefes ist, dass Christen sich ohne Wenn und Aber für die verfolgten Geschwister einsetzen. So wie sich Jesiden um Jesiden, Bahai um Bahai oder Ahmadiyya-Muslime um Ahmadiyya-Muslime kümmern. Die Aufgabe der Kirchen und christlichen Werke soll „zuallermeist“ (aber nicht ausschließlich) „des Glaubens Genossen“, also den Brüdern und Schwestern gelten. Im Bereich der Deutschen Evangelischen Allianz leisten neben und mit unserem Arbeitskreis Religionsfreiheit die Werke Open Doors, HMK oder AVC eine hervorragende Arbeit.

Die Politik hat eine andere Aufgabe – und sie hat noch viel zu tun. Religionsfreiheit ist weltweit stärker eingeschränkt denn je. Immer mehr Menschen werden wegen ihres Glaubens verfolgt. Christen sind weltweit die bei weitem größte Gruppe.

Allerdings: Die verfolgten Christen für die eigene politische Agenda zu instrumentalisieren, ist schäbig. Es wird ihrem Anliegen nicht gerecht.

Uwe Heimowski ist Beauftragter der Deutschen Evangelischen Allianz am Sitz des Bundestages und der Bundesregierung. Er ist Vorstandsmitglied des Christlichen Medienverbundes KEP, zu dem auch dieses Magazin gehört.

Von: Uwe Heimowski

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