Ich sag’s mal so – sag ich mal!

Von der verbalepidemischen Verbreitung einer Nonsens-Phrase. Eine Kolumne von Jürgen Mette
Von Jürgen Mette
Der Theologe Jürgen Mette leitete viele Jahre die Stiftung Marburger Medien. 2013 veröffentlichte er das Buch „Alles außer Mikado – Leben trotz Parkinson“, das es auf die Spiegel-Bestsellerliste schaffte.

Vor etwa 15 Jahren kam er auf, der Spruch, der inzwischen so manches Gespräch dominiert und jede gepflegte Konversation banalisiert und sogar seinen Weg auf die Kanzeln gefunden hat.

Ich habe dieses eigentümliche Sprachkonstrukt erstmals in einer Sitzung gehört, wo es satzungsgemäß mit vielen Sätzen zuging. Eigentlich hätten wir aufhören sollen, weil wir uns nur noch zugetextet haben. Und dann kam diese Phrase schneidig aus dem Mund eines ansonsten ganz passablen Redners gefahren: „Ich sag’s mal so: …“ Die Geburtsstunde einer Ansage, die sich in leicht variierenden Versionen geradezu verbalepidemisch verbreiten sollte.

Was kommt denn jetzt nach dieser vielversprechenden Ankündigung, die mit dem unausgesprochenen und doch vernehmbaren Doppelpunkt große Erwartungen weckt? Ein geistreicher Prolog, eine simple Zusammenfassung eines komplizierten Sachverhaltes? Oder eine verblüffende Einsicht, ein treffsicherer Gag? Ein weiser Spruch in Lateinisch oder eine augenzwinkernde politische Inkorrektheit, die man so hätte anmoderieren können, um die Spannung zu erhöhen? Nichts von alledem, aber auch gar nichts. Es ging einfach weiter im Text.

Das zunächst verheißungsvolle „Ich sag’s mal so!“ war nichts mehr als ein banales Versatzstück zwischen zwei Satzteilen, eine viergliedrige Verbalisierung des Stoiberschen „äh“ oder des Geißlerschen „nichwahr“. Mehr nicht. Keine Steilvorlage, kein Überraschungseffekt.

„Ich sag’s mal so!“

Seit dem zieht dieser Spruch seine Kreise, sogar bis in die Radio- und TV-Nachrichtensendungen. Immer mehr Leute übernehmen gedankenlos diese Phrase und lassen jede gepflegte Konversation zum Palaver verkommen. Wer einmal diese Nonsens-Formel in sein Repertoire aufgenommen hat, kommt kaum mehr davon los. Diese Worthülse klebt im Sprachspeicher wie Trockenobst im Gebiss.

Bietet dieses Versatzstück dem Redner eine Pause, um den nächsten Halbsatz zu konstruieren? Oder soll diese Formel den Nachsatz abschwächen oder sogar so aufladen, dass die Rede endlich Interesse weckt? Ich weiß es nicht.

Kürzlich gab ein Theologe auf die unbekümmerte Frage eines Laien zur Bedeutung der Auferstehung Jesu die beschwichtigende Antwort: „Ja, das ist ein weites Feld!“ Das sagen wir Schriftgelehrten gern, wenn wir keine Lust auf einen ausführlichen Disput haben, dann kommt garantiert der Verweis auf das „weite Feld“. Das ist die intellektuelle Variante von „Ich sag’s mal so!“ Theodor Fontane und Günter Grass lassen grüßen. „Das ist ein weites Feld.“ Wenn das ein Bauer vor der Frühjahrsaussaat sagen würde, weil ein Unwetter aufzieht, dann könnte ich es ja noch verstehen, aber wir sollten Klartext sprechen.

Unsere Rede sei Ja und Nein! (Matthäus 5,37), nicht „gleichsam halt eben auch“ und schon gar nicht, weil „dieses dein Wort“ das „Leben ein stückweit gelingen lässt“, zumal wir in dieser österlichen Zeit alle irgendwie „von Ostern her kommen“.

Ich sag’s mal nicht so, sondern anders: Lasst uns aufeinander acht haben, dass unsere Sprache markant und charmant bleibt und doch mit Salz gewürzt! (Paulus, Kolosser 4,6)

Von: Jürgen Mette

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