Billy Graham, Held meiner Jugendzeit und Leidensgenosse

Der Evangelist Billy Graham hatte Parkinson – wie pro-Kolumnist Jürgen Mette. Mette predigt trotz der Krankheit weiter, und berichtet in pro von zwei anderen berühmten Gläubigen und ihren Umgang mit der Diagnose.
Von Jürgen Mette
Im Alter von 57 Jahren erhielt der Theologe Jürgen Mette die Diagnose Parkinson. Seine Erfahrungen mit der Krankheit hat er in dem Buch „Alles außer Mikado“ veröffentlicht.

Was haben Billy Graham, Papst Johannes Paul II und Hans Küng gemeinsam? Sie sind weltberühmt und sie leiden an Morbus Parkinson, einer neurodegenerativen Erkrankung: unheilbar, unberechenbar und unaufhaltbar. Drei Männer Gottes, die auf unterschiedlichen Wegen ihre geistliche Berufung gelebt haben, ohne sich von der bedrückenden Diagnose von dieser Berufung abhalten zu lassen. Zwei sind bereits im Finale, einer steht auf der Warteliste.

Der eine Pontifex Maximus, Papst, Papa und Oberhirte von 1,3 Milliarden Christen römisch-katholischen Bekenntnisses, Bischof von Rom. Unvergessen seine letzten öffentlichen Auftritte am Fenster seiner Residenz oder im oder vor dem Petersdom. Die einstige formvollendete liturgische Performance ist zerbrochen, wankend und zitternd kämpft er sich mit gebrochener Stimme durch das strapaziöse Protokoll, unfähig, die Seiten seiner Agende umzublättern. Der Speichel tropfte im dünnen Rinnsal auf die weiße saugfähige Mozzetta seines prachtvollen Ornats, in dem er wie ein Soldat in einer überdimensionierten Rüstung steckt. Er hatte den Kameramännern ausdrücklich erlaubt, ihn in Nahaufnahmen zu dokumentieren. Er wollte seine Hinfälligkeit nicht verstecken und wurde damit zum eindrucksvollen Vorbild der Behinderten und Kranken. Ein erbärmlicher Auftritt eines so mächtigen Mannes, der nur noch heim ins Vaterhaus wollte. Dieser Wunsch wurde ihm am 2. April 2005 erfüllt.

Der andere, der weltweit bekannteste evangelische Repräsentant, ist am 21. Februar von diesem nervigen Schurken namens Parkinson erlöst worden. Billy Graham (99) war der bedeutendste Evangelist der letzten 100 Jahre. Der Held meiner Jugendzeit, der einen großen Anteil an meiner Berufung in den geistlichen Dienst hatte. Was für ein Mannsbild, was für ein strahlender Freudenbote, was für ein „The bible says“-Rhetoriker. 1992 war er diagnostiziert worden. Das hat ihn nicht gehindert, weiter öffentlich zu predigen. Danke Billy, für dein mutiges Zeugnis, für das Vorbild, sich nicht dieser heimtückischen Krankheit zu unterwerfen, sondern im stillen Vertrauen auf Gott jetzt erst recht die Berufung zu leben. Er ist am Ziel. Ich laufe noch meine Runden – temporeduziert – und freue mich aufs Finale.

Der dritte Prominente unter den christlichen Parkis ist der Theologe Hans Küng. Ein mutiger (Quer-)Denker und streitbarer Kritiker seiner Kirche. Immer wieder hat er sich mit der römischen Kurie und den Päpsten bis zum Lehrzuchtverfahren (1980) unter Johannes Paul II. angelegt, als er die Unfehlbarkeit des Papstes in Frage stellte. Die beiden kantigen Kontrahenten finden sich in der Leidensgemeinschaft der wankenden und zitternden alten Männer wieder. Das Elend seines Freundes Walter Jens vor Augen, hat sich Hans Küng für den „süßen Tod“ entschieden. Er befindet sich in der Schweiz und gab zu verstehen, seinem Leben ein Ende setzen zu wollen, wenn die Symptome des geistigen und körperlichen Verfalls deutlich spürbar werden. Seit langem ist er Mitglied der schweizerischen Organisation ‚Exit‘, einer Einrichtung, die jenen beisteht, die unheilbar krank einem Verfall der physischen und psychischen Fähigkeiten und untragbaren Schmerzen ausgesetzt sind, die unbeschwert sterben wollen.

Meine tägliche Sorge

Ich selbst bin schon relativ früh (im 57. Lebensjahr) von dieser Krankheit heimgesucht worden. Ich kann die Entscheidung Hans Küngs verstehen. Mit dieser Krankheit alt zu werden, ist meine tägliche Sorge und manchmal auch Grund meiner Verzweiflung. Ich stemme mich gegen die unaufhaltsame Degeneration meiner Muskeln und Nerven und bin dank hervorragender ärztlicher Betreuung und wirksamer Medikamenten im achten Jahr nach der Diagnose noch viel zu Vorträgen und Predigten unterwegs. Und ich schreibe. Bücher. Und diese Kolumne. Nein, ich werde mein Leben hoffentlich nicht selbst beenden müssen, aber ich kann Hans Küng so gut verstehen. Wer sich darüber empört, hat keine Ahnung vom Leben und noch weniger vom Tod.

Danke, ihr treuen Zeugen! Die bühnenfähigen Performer gehen langsam und sicher in die Knie – und zuletzt auf die Knie.

Von: Jürgen Mette

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