Keine Angst, Muslimen von Jesus zu erzählen

„Gemeinsam mit Muslimen auf dem Wege sein!“ Das klingt gut, was da die Rheinische Synode beschlossen hat. Doch die politisch korrekte Aufforderung „Wir wollen die anderen nicht mit uns gleich machen“ kann die Kirche auf Dauer spirituell impotent machen. Eine Kolumne von Jürgen Mette
Von Jürgen Mette
Jürgen Mette kritisiert eine Aufforderung der Rheinischen Kirche

Hauptbahnhof Frankfurt morgens um sieben. Die Banker, textil hochwertig betucht, kommandieren hastig Texte ins Smartphone, ignorieren müffelnde Wegelagerer und anmutige Brezel-Bäckerinnen und hasten wie geistesabwesend zum Taxi. Eine verschleierte Mutter hat neben zwei Koffern drei kleine Kinder am Hals und im Buggy und schaut hilflos aus dem Kaftan. Ich biete ihr meine Hilfe. „Nix Deutsch, no Inglisch.“ Aber wir waren miteinander auf dem Weg. Ein Stück weit. Sind wir nicht alle miteinander ein Stück weit gemeinsam auf dem Weg?

„Wir wollen die anderen nicht mit uns gleich machen“, sagte die Vorsitzende des theologischen Ausschusses der Rheinischen Kirche, Ilka Werner. Ja, wer will das denn? Das hört sich ja so an, als stünde die Rheinische Kirche in der Gefahr, hemmungslos Muslime bekehren und einer christlichen Taufe zuführen zu wollen. Derartiges ist mir noch nicht zu Ohren gekommen. Oder war das nur ein Warnschuss in Richtung evangelikaler Missionsaktivisten? Die anderen sollen bloß nicht so werden wie wir, Nachfolger Jesu! Bloß nicht.

Toleranz ist kein Schwächeanfall der Kirche

„Wir wollen die anderen nicht mit uns gleich machen!“ Das ist eine Offenbarung. Wo wäre die christliche Kirche heute, wenn Jesus, Petrus, Paulus, die Kirchenväter, Luther und Hunderttausende von Missionarinnen und Missionaren sich an diese Empfehlung gehalten hätten? Es gäbe uns nicht. Wir wären mit anderen auf dem Wege, wohin auch immer. Nur das jesuanische „Ich bin der Weg zu Gott“ sollen wir besser für uns behalten.

Im gleichen Atemzug wird aber konstatiert, man könne nicht ausschließen, dass sich Muslime zum Christentum bekehren und sich taufen lassen. Man könne nicht ausschließen … Also, wenn es dann mal passiert, auch gut.

Ja, der respektvolle Dialog mit Muslimen muss sein. Demütig, aber mutig. Und wir tolerieren andere religiöse Überzeugungen. Toleranz ist kein Schwächeanfall der Kirche, sondern ein Attest ihrer spirituellen Vitalität.

Mission heute ist dialogfähig

Mein persönliches und einfühlsames Zeugnis gegenüber Muslimen kann mir keiner verbieten. Im Gegenteil, die Rheinische Synode ermutigt ausdrücklich zum freimütigen Zeugnis. Danke, Frau Werner. Ob allerdings alle, die sich lauthals über diesen Beschluss empört haben, innerhalb ihrer privaten Kontakte Muslimen Jesus bezeugen, wäre eine Rückfrage wert.

Warum die Rheinischen Kirche den Beschluss revidieren sollte: Dass Christen und Muslime gemeinsam auf dem Wege zum selben Gott sind, ist eine theologische Grundsatzdebatte über die „missio dei“ wert. Mission heute ist dialogfähig. Es gibt keinen Grund, sich dafür zu schämen.

Vergebung als weltweites Zeugnis

Die Synode erteilt ohne erkennbaren Notstand – zum Beispiel überambitionierter Bekehrungsaktivisten – aus sicherer Distanz und im feinen Ambiente Ratschläge an die, die in der islamischen Welt unter Einsatz ihres Lebens und ihrer göttlichen Berufung folgend, das Zeugnis von Christus in Wort und Tat leben. Wie wird zum Beispiel die Witwe des Theologen Tillmann Geske reagieren, der 2007 in Malatya/Türkei mit zwei einheimischen Pastoren in ihrem christlichen Verlagshaus ermordet wurde? Man fand 16 Einstiche in Geskes Leichnam. Die Täter waren keine Sektierer, sondern sie standen korantreu auf dem Boden ihrer heiligen Schrift. Das sind auch Menschen, die mit uns unterwegs sind. Und die stehen nicht in Gefahr, sich mit uns eins zu machen.

Durch das Bekenntnis der Witwe, den Mördern zu vergeben, wurde der Tod des Bibelmissionars zu einem weltweiten Zeugnis: Der christliche Gott ist ein Gott der Liebe und Vergebung und nicht ein Gott der Gewalt und des Hasses. Ich rate der Synode, Frau Geske den Beschluss zu erläutern. Das wäre eine aufschlussreiche apologetische Übung. Diese Papier ist zwar politisch korrekt, aber es schwächt die Kirche im Zentrum ihrer Zeugungskraft und macht sie auf Dauer spirituell „impotent“, nicht zeugungsfähig für neues Leben.

Von: Jürgen Mette

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