Kissler kritisiert Böhmermann: „Pausenclown einer politisch-korrekten Staatselite“

Jan Böhmermann empfiehlt im ZDF, Christian Lindner solle sich am Selbstmord Jürgen Möllemanns ein Beispiel nehmen. Ist das ein Spaß oder eine Entgleisung? Auch Satiriker müssen die Menschenwürde achten. Ein Kommentar von Alexander Kissler
Von Anna Lutz
Der Journalist und Autor Alexander Kissler (l.) und ZDF-Moderator Jan Böhmermann (r.)

Einen Hof erkennt man am Narren. Welche Scherze der Narr reißt, über wen er sich lustig macht, wen er hofiert: Damit ist alles über die Machtverhältnisse am Hof ausgesagt. Das ZDF hält sich seit vier Jahren Jan Böhmermann. Gerade wurde der Vertrag mit dem Bremer Spaßmacher verlängert. Die Zusammenarbeit soll ausgebaut werden. Das ZDF ist ein öffentlich-rechtlicher Fernsehsender, der laut Rundfunkstaatsvertrag „in seinen Sendungen die Würde des Menschen achten und schützen“ muss. Auch soll das ZDF „dazu beitragen, die Achtung vor Leben, Freiheit und körperlicher Unversehrtheit (…) zu stärken.“ Warum dann Böhmermann?

Kunst darf viel, aber natürlich nicht alles. Darum ist es gut, wenn die Staatsanwaltschaft Mühlhausen wegen des Anfangsverdachts auf Nötigung und Bedrohung gegen die sogenannte Künstlergruppe „Zentrum für politische Schönheit“ ermittelt. Wer das Haus eines Politikers observiert und von diesem ein bestimmtes Wohlverhalten, eine öffentliche Unterwerfungsgeste, erpressen will, hat den Boden der Kunstfreiheit verlassen. Selbst dann, wenn es sich beim ausgespähten Politiker um AfD-Mann Björn Höcke handelt. Dem „Zentrum für politische Schönheit“ ist es mit seinen Volkserziehungsmaßnahmen bitterernst.

Die Humorlücke der Linken

Jan Böhmermann macht nur Spaß. Sagt sein schallendes, keckerndes Lachen, das er den Pointen hinterherschickt, die im Fall des ZDF-Formats „Neo Magazin Royale“ eine siebenköpfige Autorenschar aufschreibt. Sagt seine zuckende linke Augenbraue, sagt sein dürrer Körper, der sich in gespielter Demutsgeste nach hinten biegt. Doch auch Jan Böhmermann hat eine Mission. Er soll die Humorlücke der Linken schließen. Darum lädt er mit Vorliebe Weltanschauungspartner wie jüngst Mely Kilak, Philipp Möller, Sawsan Chebli ein. Die Welt soll sehen: Bei Linken auf dem Sofa darf gelacht werden. Ist ja ansonsten ein zehrendes Unterfangen, diese Gesinnungsverbesserungsarbeit am lebenden Objekt, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr, bis alles Private politisch wird.

Weniger zu lachen haben bei ZDF-Mann Böhmermann CDU und CSU und AfD, manchmal auch die SPD, vor allem aber die FDP. Sie ist dem öffentlich-rechtlichen Exorzisten der Beelzebub. Schlimmer als die Liberalen sind für Böhmermann nur die Sachsen, denn Sachsen ist, so stellte er es in der aktuellen Ausgabe 96 des „Neo Magazins Royale“ abermals breit heraus, das Land, in dem die Flüchtlingsheime brennen. Weshalb die sächselnde Dumpfbacke zu den größten Versuchungen im Figurenarsenal des Jan Böhmermann gehört. Und gab er je der Versuchung nach, auf ein Klischee anderthalb zu setzen? Auch eine Hasspredigt hat ihre Gesetze.

Wo bleibt die Menschenwürde?

Deshalb riet der dauerpubertierende Zotenkönig des Zweiten Deutschen Fernsehens nun dem FDP-Vorsitzenden Christian Lindner, er möge sich doch umbringen. Anders ist der in Dauergrinsen und Laienspiel verpackte „kleine Tipp“ für Lindner nicht zu verstehen: „Jürgen Möllemann hätte rechtzeitig die Reißleine gezogen“, in Ansehung der von Lindner abgebrochenen Jamaika-Sondierungen wohlgemerkt. Prompt stellte ZDF-Böhmermann die letzten Sekunden im Leben des 2003 verstorbenen Jürgen Möllemann nach, griff mehrfach nach einer imaginären Reißleine, schaute nach unten, den tödlichen Aufprall erwartend, grinste, schrie, blickte nach oben, zog noch einmal und erntete von Sidekick Ralf Kabelka ein joviales „Meisterhaft gespielt!“.

Leicht gilt als Humorphobiker, wer auch bei Spaßmachern die „Würde des Menschen“ gewahrt und die „Achtung vor Leben und Freiheit“ verwirklicht sehen will. Da das ZDF sich an diesen Prinzipien messen lassen muss, verfängt der Einwand hier nicht. Jan Böhmermann, Pausenclown einer politisch-korrekten Staatselite, Grinsekerlchen der Ausgrenzung und Haudrauf des Hasses, braucht das Herabwürdigen wie das ZDF seine Rundfunkbeiträge. Wenig sonst beherrscht er. Auch „mit der neuen Kraft eines ZDF-Vertrages“ (Böhmermann) dürfte sich daran nichts ändern.

Im 17. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 8. Juni 2015 heißt es: „Wer die Sendung eines Beitrages veranlasst oder zugelassen hat (…), trägt für den jeweiligen Inhalt und die jeweilige Gestaltung (…) die Verantwortung.“ Das V-Wort freilich wurde zu einem Fremdwort. Wer wissen will, was damit gemeint ist, kann es nachschlagen in Adelungs Wörterbuch von 1793. Es bedeutet, „Rechenschaft von seinen Handlungen zu geben.“ Das ist lange her.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf der Webseite des Magazins Cicero. Wir danken für die Genehmigung zum Abdruck.

Von: Alexander Kissler

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