Eine Lektion für die Kanzlerin

So funktioniert Wahlkampf: Die Parteien suchen sich Themen aus, mit denen sie ihre Gegner in die Ecke drängen und dort bearbeiten können. Eines dieser Themen ist die „Ehe für alle“. Der SPD gelingt es gerade sehr gut, hier Profil zu zeigen. Ein Kommentar von Johannes Weil
Von Johannes Blöcher-Weil
Kanzlerin Angela Merkel ist von dem klaren Nein der CDU zur „Ehe für alle“ abgerückt

Ob der sonst so besonnenen Angela Merkel klar war, was sie mit ihrer Äußerung am Montag ausgelöst hat, scheint fraglich. Bei einer Veranstaltung ist sie von dem klaren Nein der CDU zur „Ehe für alle“ abgerückt. Sie wünsche sich eine Diskussion, die „eher in Richtung einer Gewissensentscheidung geht“. Diese Linie hat sie laut der Deutschen Presse-Agentur mit CSU-Chef Horst Seehofer abgesprochen.

Nachdem die Kanzlerin dies hat verlauten lassen hatte, preschte die SPD vor. Sie will noch diese Woche eine Abstimmung zur „Ehe für alle“ im Bundestag abhalten. Sie treibt nicht nur die Kanzlerin in die Ecke, sondern auch dem Vorsitzenden der Bundestagsfraktion, Volker Kauder, die Schweißperlen auf die Stirn. Wenn alles ganz schnell geht – und danach sieht es nach der Beratung des Rechtsausschusses im Bundestag am Mittwoch aus – kann der Bundestag am Freitag über die „Ehe für alle“ abstimmen. Wenn der Fraktionszwang aufgehoben wird, scheint eine Mehrheit für das Vorhaben ziemlich sicher.

Kauder: „Davon weiche ich nicht ab“

„Die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften lehnen wir ab und davon weiche ich nicht ab“, hatte Volker Kauder vor der Bundestagswahl 2013 im Interview mit dem Christlichen Medienmagazin pro versprochen. SPD und Grüne versuchten, Lebenspartnerschaften in Ehen umzudeuten. Darin sieht er „eine ganz andere Qualität als Ehe und Lebenspartnerschaft nur steuerrechtlich gleichzustellen”.

Selbst wenn der Abgeordnete Volker Kauder nicht von seiner 2013 gesagten Meinung abweicht, ein Teil seiner Fraktion wird eine andere Meinung zu dem Thema haben als er. Die Parlamentarier sind in erster Linie ihrem Gewissen verpflichtet. Mit einer Freigabe der Abstimmung entsteht das Bild, dass die Union in dieser Frage sehr gespalten ist. Denn die Menschen sind froh, wenn sie sich auf klare Aussagen verlassen können. Das schadet der CDU drei Monate vor der Wahl. Und das freut die SPD.

Thomas Oppermann fordert bei der „Ehe für alle“ eine namentliche Abstimmung. Dies könnte ein geschickter Schachzug sein, um die Zerrissenheit der Union bei dem Thema zu zeigen. Foto: pro/Anna Lutz
Thomas Oppermann fordert bei der „Ehe für alle“ eine namentliche Abstimmung. Dies könnte ein geschickter Schachzug sein, um die Zerrissenheit der Union bei dem Thema zu zeigen.

Deren Fraktionschef Thomas Oppermann hat seine Freude daran. Er will die Parlamentarier über diese Frage namentlich abstimmen lassen. Das ist sein gutes Recht. Damit wüssten die Wähler auch, welche Abgeordneten hinter der „Ehe für alle“ stünden – und welche eben nicht. Damit bringt er viele Fraktionsmitglieder des Koalitionspartners ins Schwitzen, die knapp vor der Wahl um ein einheitliches Bild bemüht sind.

Konservativen fehlt ein Standbein

In der Union macht sich Unmut breit. „Wir haben die Nase voll“, hieß es aus Führungskreisen zum Verhalten der SPD. Kauder spricht von einem Vertrauensbruch. Selbst die Kanzlerin ist davon überrascht, dass das Thema „plötzlich holterdiepolter“ abgestimmt werden soll. Auf der anderen Seite taktiert sie gut genug. Sie weiß, dass sie mit ihrer Äußerung am Montag eine wichtige Hürde für eine Koalition nach der Wahl aus dem Weg geräumt hat.

Ärgerlich daran ist nur, dass es noch einen weiteren Gewinner dieses Scharmützels gibt. Die AfD und ihre Kandidaten freuen sich, dass sie die einzige Partei mit Ambitionen für den Bundestag sind, die an ihrer Grundüberzeugung festhalten und sich klar gegen die „Ehe für alle“ aussprechen. Sie sehen die Ehe weiter als die Verbindung von Mann und Frau – und eine Familie als Vater, Mutter und Kind.

Die CDU wird Schwierigkeiten haben, sich in dieser Frage aus der Umklammerung der SPD zu befreien. Sie weiß, dass sie für ihre Ziele nach dem 24. September eine Mehrheit braucht. Die Kanzlerin gibt damit eine weitere Kernposition ihrer Partei auf. Damit verschreckt sie die konservative Klientel, die immer noch ein bedeutender Teil der CDU-Wähler ist. Diese halten daran fest, was als einzige Partei nur noch die AfD abbildet. Und bei den Wählern entsteht der Eindruck, dass vor der Wahl gelieferte Versprechen nicht eingehalten werden. Den konservativen Wählern in der Union fehlt damit ein Standbein. (pro)

Von: jw

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