Es muss nicht immer Schwein sein

Immer mehr Kitas und Schulen verzichten bei der Verpflegung der Kinder aus Rücksicht auf islamische Speisegebote auf Schweinefleisch. Verlieren wir dadurch unsere Kultur? Das Thema wird heißer gekocht, als es ist. Ein Kommentar von Jonathan Steinert
Von PRO
Schnitzel in Gefahr? Immer mehr Kitas bieten kein Schweinefleisch mehr zum Mittagessen an.
Das Schwein ist wieder da in der Berichterstattung einiger Medien, weil es nicht da ist auf dem Speiseplan von Kitas und Schulen. Immer mehr dieser Einrichtungen bieten in der Verpflegung der Kinder kein Schweinefleisch mehr an, weil muslimische Kinder laut ihrer religiösen Speisevorschriften keines essen dürfen. Kritiker fürchten, dass dies ein weiterer Schritt dahin ist, die deutsche Kultur aufzugeben. Das Thema selbst ist nicht neu. Schon seit mehreren Jahren stehen Einrichtungen mit hohem Migrantenanteil vor der Herausforderung, religionskonforme Speisen anzubieten. Aber jetzt hat es das Thema wieder einmal an die Oberfläche der öffentlichen Wahrnehmung geschafft. Ende Januar sorgte die Nachricht über den „Frikadellenkrieg“ aus Dänemark für Aufsehen: Der Stadtrat von Randers im Norden Jütlands hatte entschieden, dass öffentliche Einrichtungen der Stadt, in denen es eine Kantine gebe, auch Schweinefleisch anbieten müssen, weil dies zur dänischen Esskultur gehöre. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete, die Stadt Frankfurt habe für ihre Kindertagesstätten wegen der muslimischen Kinder das Schweinefleisch beim Caterer abbestellt. Die Stadt sagte auf Nachfrage von pro, dass dies so nicht stimme. Die Einrichtungen könnten innerhalb der Rahmenverträge, die die Kommune mit den Essenslieferanten abgeschlossen hat, selbst über den Speiseplan bestimmen. Auch das Hamburger Abendblatt griff das Thema auf und zitierte Ulrike Arens-Azevêdo, Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung: „In den nächsten Jahren wird das Schweinefleisch immer weiter von den Speiseplänen in Kitas und Schulen verschwinden.“ Eine Entwicklung, die Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) gegenüber der Zeitung kritisiert. Nicht nur er fürchtet den Verlust eines wesentlichen Bestandteils deutscher Esskultur.

Auch Hühnchen gehört zur deutschen Esskultur

Ist der Verzicht auf Schweinefleisch ein Zurückweichen vor dem Islam und seinen Geboten? Ist es ein weiterer Schritt der kulturellen Selbstaufgabe Deutschlands? Zunächst einmal ist es ein Ausdruck davon, dass Kitas und Schulen auf verschiedene Weise dem wachsenden Anteil ausländischer und muslimischer Kinder Rechnung tragen. Dabei müssen sie auch Religionsfreiheit schützen, weshalb muslimische Kinder nicht daran gehindert werden dürfen, ihre Speisegebote einzuhalten, ohne diskriminiert zu werden – was der Fall wäre, wenn sie nicht an der gemeinsamen Verpflegung teilnehmen könnten. Im Übrigen ist der Verzehr von Schweinefleisch auch nach jüdischer Tradition verboten und Christen aus Eritrea, von denen derzeit auch Tausende nach Deutschland flüchten, essen ebenfalls kein Schweinefleisch. Insofern betrifft die Frage, ob Schwein serviert wird oder nicht, nicht nur Muslime. Wenn aber nun Kinder, für die keine entsprechenden Speisegebote gelten, dennoch auf Schwein verzichten müssen – sind diese dann in ihrer Religionsfreiheit eingeschränkt? Das ist nicht der Fall, erklärte Thomas Traub, Kirchenrechtler und Mitglied in der Vereinigung „Christ und Jurist“, im Gespräch mit pro: Zum einen gebe es im Christentum kein Gebot, das den Verzehr von Schweinefleisch vorschreibt. Christen handelten also mit dem Verzicht darauf nicht gegen ihre Glaubensüberzeugungen. Zum anderen sei es an sich keine religiöse Handlung, beispielsweise Hühnchen oder gar kein Fleisch zu essen. Es werde also niemand gezwungen, einen religiösen Brauch mitzuvollziehen, den er ablehne. Eine Gefahr für die deutsche Esskultur sieht Traub auch nicht, denn Geflügel, Rind oder Gemüse gehörten genauso zur hiesigen Ernährungsweise. Das stimmt. Trotzdem darf man die Frage berechtigterweise stellen: Warum müssen in manchen Einrichtungen alle auf Schwein verzichten, wenn nur ein Teil der Kinder tatsächlich keines essen darf? In vielen Fällen ist es sicher eine Sache der Organisation. Es ist schlicht einfacher, ein Stück Fleisch zu servieren, das alle essen können, als verschiedene Gerichte bereitzustellen, die sämtliche Speiseregeln und Unverträglichkeiten berücksichtigen. Stehen jedoch ohnehin mehrere Gerichte zur Auswahl, gibt es keinen Grund, Schweinefleisch komplett und für alle vom Speiseplan zu streichen. Geschieht das doch, ist das unverständlich oder auch ärgerlich, denn es hat den Beigeschmack einer falsch verstandenen Rücksichtnahme. Aber selbst wenn: Deswegen einen Ausverkauf der deutschen Kultur zu wittern, ist übertrieben. Sich darüber zu empören oder gar zum Angebot von Schweinefleisch zu verpflichten, wäre ein Kampf um Prinzipien, der nicht der Sache diente. Für die Kinder selbst macht es wohl kaum einen Unterschied, aus welchem Fleisch die Bolognese ist. (pro)
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