Dawkins und die Kirchenmänner: Provokante Thesen

Bei Johannes B. Kerner trafen sie erstmals aufeinander: Der Atheist und "Gotteswahn"-Erfolgsautor Richard Dawkins und Vertreter des von ihm gescholtenen Glaubens: Weihbischof Hans-Jochen Jaschke, Bischof Wolfgang Huber und der Ex-Politiker Heiner Geißler. Wer eine fachkundige Auseinandersetzung erwartet hatte, wurde jedoch in weiten Teilen enttäuscht. Stattdessen begegneten sich der Atheist und die Christen mit provokanten Thesen.
Von PRO

Es war eine Fernsehwoche des Glaubens und der Glaubenskritik, die hinter uns liegt. Am Dienstag debattierte Sandra Maischberger mit ihren Gästen über den „Angriff der Gottlosen: Vergiftet die Religion die Welt?“. Die Sendung war ein guter Einstieg in die Debatte um die Thesen der so genannten „Neuen Atheisten“, die sich durch den Erfolg des Buches „Der Gotteswahn“ von Richard Dawkins motiviert fühlen, nach den USA nun endlich auch in Europa jeglichem Glauben den Krieg zu erklären.

Diskutierten bei Maischberger in der ARD noch Christen, Kirchenkritiker und Atheisten über die Thesen Dawkins, kam es bei „Johannes B. Kerner“ erstmals zu einer Debatte mit dem Evolutionsbiologen und  Oxford-Professor. Er breitete, umgeben von zwei Kirchenvertretern und einem ehemaligen Politiker, seine radikalen Ansichten aus oder wurde von Moderator Kerner mit ihnen konfrontiert. Titel der Sendung: „Eine Frage des Glaubens. Das neue Interesse am Atheismus“

„Übertragen Sie das nicht auf uns, das ist Propaganda.“

Nun geht jeder Gast einer Talkshow mit einem gewissen Konzept in die Debatte, erst recht, wer auf einen Wissenschaftler wie Dawkins trifft. Ein solches Konzept hatte sicher auch Bischof Wolfgang Huber, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Es sah so aus: Das, was Dawkins in seinem Buch kritisiert, betreffe „kritikwürdige Entwicklungen innerhalb des Christentums“, Dawkins halte „Zerrbilder des Glaubens für den typischen christliche Glauben“, und überhaupt, in Deutschland und Europa finde sich ein ganz anderer Glauben als etwa in den USA. Der Hamburger Weihbischof Jaschke pflichtete Huber bei. An Dawkins gerichtet sagte der katholische Geistliche: „Es gibt Sekten, aber die sind doch nicht die Mehrheit der Christenheit. Übertragen Sie das nicht auf uns, das ist Propaganda.“

Soweit die Strategie, mit der Dawkins wenigstens in Ansätzen wiederlegt werden sollte. Der kluge Atheist aber ließ derartige Argumente nicht gelten – und auch Kerner erkannte schnell, dass solches Von-sich-Weisen der Dawkinschen Gotteskritik nicht den Kern der Debatte traf. Es wurde also eines der provokantesten Zitate aus dem „Gotteswahn“ ausgebreitet, zu dem der Autor Stellung nehmen sollte. Dieses Zitat zeigt, dass dessen Kritik wesentlich tiefer geht. Dawkins will nicht nur die „christlichen Fundamentalisten“ bloßstellen, sondern allen Menschen den Glauben austreiben, und sei er in deren Leben noch so unbedeutend.

Wie Dawkins die Bibel verdreht

Weil jeder Glaube auf einer Offenbarung beruht und christlicher Glaube nun einmal auf der Bibel als geoffenbartem Wort Gottes, setzt Dawkins da an, wo die Wurzel allen christlichen Glaubens zu finden ist – er selbst würde sagen: die Wurzel allen Übels – in der radikalen Bibelkritik. Dafür nimmt er die Bibel auseinander und das bei Kerner herausgegriffene Zitat aus Dawkins‘ Buch ist ein Beispiel für dessen Vorgehen: „Der Gott des Alten Testaments ist – das kann man mit Fug und Recht behaupten – die unangenehmste Gestalt in der gesamten Literatur: Er ist eifersüchtig und auch noch stolz darauf; ein kleinlicher, ungerechter, nachtragender Überwachungsfanatiker; ein rachsüchtiger, blutrünstiger ethnischer Säuberer; ein frauenfeindlicher, homophober, rassistischer, Kinder und Völker mordender, ekliger, größenwahnsinniger, sadomasochistischer, launisch-boshafter Tyrann.“

Das sind Sätze, die Millionen Menschen gelesen haben und die Jaschke und Huber zu Recht entsetzt von sich weisen. „Wir sind Menschen mit Verstand, so etwas als Wissenschaftler zu behaupten, ist eine Empörung“, sagte Jaschke. Und Huber ergänzte: „Im Buch Exodus wird die Befreiung Israels aus der Unterdrückung berichtet, durch herausgelesene Zitate wird ein völlig falsches Gottesbild skizziert. Dawkins verdreht die Tatschen, denn im Zweiten Buch Mose stehen auch die Zehn Gebote. Der Grundton ist ein anderer.“ Und Jaschke: „Wir lesen die Bibel als Ganzes, der Schlüssel zu deren Verständnis ist Jesus Christus, wir picken nicht Einzelnes heraus. Dawkins verlässt die Methoden eines Wissenschaftlers.“

Mittendrin in der Debatte um das Bibelverständnis

Plötzlich war man mittendrin in der Diskussion um das Verständnis und die Auslegung der Bibel, die Dawkins auszunutzen wusste. „Die Frage ist doch: Welche Teile der Bibel nimmt man aber wörtlich, welche lehnt man ab?“ Und konkret sagte er: „Nehmen Sie etwa die Lehre von der Hölle. Das ist eine Drohung, die mit einem liebenden Gott nichts zu tun hat.“

Was kann man darauf antworten als Theologe, als Christ, der im Sonntagsgottesdienst im Glaubensbekenntnis sagt: „Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.“ Der Ex-Politiker Geißler leitete bei Kerner die Antwort der Dawkins-Gegner ein: „Man muss auch einmal Dinge über Bord werfen. Die Hölle ist mit dem Bild eines gütigen Gottes nicht übereinbringbar.“ Und Bischof Huber ergänzte: „Man muss den Leuten nicht androhen, dass sie in die Hölle kommen, weil sie sich einmal vor Gott zu verantworten haben. Dennoch darf es nicht so sein, dass wir uns das Bild eines niedlichen Gottes aneignen.“

Ja, da konnte Dawkins nur beglückt zustimmen: „Ich freue mich sehr darüber, dass Kirchen in Deutschland nicht mehr an die Hölle glauben und diese nicht mehr lehren. Doch in Südamerika oder den USA wird das immer noch gelehrt.“

„Christliche Religion als Lebensphilosopie“

Für „Welt Online“ hat Alan Posener einen Kommentar über die Debatte geschrieben. Der Kommentarchef der „Welt“ kann Dawkins Thesen grundsätzlich sein „Amen“ geben. Dessen Buch sei vor allem geschrieben für den amerikanischen Markt, „wo Glaube noch Glaube ist und das Wort der Bibel Gewicht hat“.

Und weiter schreibt Posener: „Mit weichgespülten westeuropäischen Theologen, die in schöner Einmütigkeit erklären, die Hölle habe für sie ‚keine große Bedeutung‘, ihre Existenz werde von der Kirche ‚eigentlich nicht‘ gelehrt (Jaschke), die ‚Kritik der Höllenforschung‘ sei eine der Stärken der modernen Theologie (Huber) und überhaupt sei ‚die Existenz der Hölle unvereinbar mit der Existenz eines gütigen Gottes‘ (Geißler) hatte Dawkins sichtlich seine Schwierigkeiten. Wenn der Abend bei Kerner dennoch intellektuell interessant war, so eben deshalb, weil die Ausführungen der Dawkins-Gegner klar machten, wie sehr die christliche Religion in Deutschland heute einerseits zur reinen Lebensphilosophie, andererseits zur Magd der Politik verkommen ist.“

Wie wahr.

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