"Ich freue mich für die Leute, die an Weihnachten in die Kirche gehen", sagte Peter Hahne, der bis 2009 dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) angehörte, in der Sendung "Klipp & Klar" mit Moderator Marco Seiffert am Dienstagabend. Allerdings käme es weniger auf die Weihnachtsstimmung, als vielmehr auf die Pfarrer an, welche die Menschen dann im Gottesdienst erleben würden: "Wenn die so predigen, als würden sie einem die ‚Tagesschau‘ vorlesen, mit all dem Elend der Welt, dann ist das eine verlorene Chance." Er könne es nicht nachvollziehen, so Hahne, wieso die Kirchen den Besucheransturm zu den Feiertagen nicht nutzten, um mehr Menschen für sich zu begeistern: "Ich würde daraus einen Werbefeldzug machen, wie es der Einzelhandel tut", so der christliche Journalist und Autor.
Die Sängerin und Moderatorin Dagmar Frederic stimmte dem zu: "Ich will in der Kirche nicht diesen ganzen Tagesquatsch hören, den ich schon in der Zeitung gelesen habe." Sie müsse aber auch an Weihnachten nicht in die Kirche gehen, um Gott nahe zu sein, wie an jedem anderen Tag ginge das auch so. An den Festtagen lege sie viel Wert auf Dekoration – auch auf kitschige. Die Gemeinschaft mit ihrer Familie sei für sie eine "heilige Angelegenheit".
Ohne Geschenke kein schönes Fest?
Diskutiert wurde aber hauptsächlich darüber, wie wichtig materielle Geschenke für ein schönes Weihnachtsfest sind. Die Teilnehmer gingen insbesondere auf die Werbekampagne einer Elektromarktkette ein, die mit dem Slogan "Weihnachten wird unterm Baum entschieden" Aufmerksamkeit erregt. "Wenn die Werbung suggeriert ‚je größer die Geschenke, desto toller ist Weihnachten‘, dann schäme ich mich gegenüber all denen, die sich gar nichts schenken können, weil sie sich nichts leisten können", sagte Hahne mit Nachdruck. Die Kampagne sei furchtbar und die "Endstufe der Kommerzialisierung".
"Werbeleute können es nie allen recht machen", bemerkte dazu der Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Berlin-Brandenburg, Nils Busch-Petersen. Er machte darauf aufmerksam, dass der Einzelhandel 25 bis 40 Prozent seines Umsatzes in den letzten zwei Monaten eines Jahres mache – da sei der Druck entsprechend hoch, viel zu verkaufen. Im Übrigen, erklärte er, sei es vielen Menschen ein Bedürfnis, ihre Wertschätzung anderen gegenüber durch Geschenke auszudrücken – seien diese nun teuer oder nicht.
"Eltern, die Liebe mit Geschenken kaufen wollen, tun dies das ganze Jahr über", bemerkte Dagmar Frederic. Daher sei es nicht korrekt, diesen Vorwurf auf Weihnachten zu beschränken. "Ich will nicht in einem Land leben, in dem Kinder den Eindruck haben, je größer das Geschenk, desto doller ist Weihnachten", ergänzte Hahne.
Langhans: "Heiligabend gibt’s im Netz viel zu tun"
Die ohnehin heitere Runde wurde durch den Konsumkritiker und Alt-68er Rainer Langhans verstärkt, der den Heiligen Abend allein verbringen wird. Er wolle meditieren, lesen und im Internet surfen. Für verwirrtes Gelächter bei Publikum und Mitdiskutanten sorgte Langhans mit der These, im Internet könne er mehr Kommunikation erleben als beim "Rumgesitze und sich vollfressen" mit anderen Menschen. Ohne jede Ironie ergänzte er: "Wenn man so will, erlebe ich da viel mehr Liebe. Weil diese Kommunikation mehr bedeutet und beinhaltet als dieses materielle Rumgefresse." Viel wichtiger als zu konsumieren sei es ihm außerdem, sein "Geld in Geist zu verwandeln". Darum habe er 20.000 Euro an die Piratenpartei gespendet.
Zuviel Konsum in Form von "Terror" gäbe es auch auf Weihnachtsmärkten, deshalb gehe er da nicht hin, bekundete Langhans. "Sie würden auf dem Weihnachtsmarkt als Rauschgoldengel durchgehen" sagte Peter Hahne in Anspielung auf Langhans‘ Frisur und weißes Gewand. Würden alle Menschen wie Langhans denken, fielen tausende Arbeitsplätze weg, erklärte Busch-Petersen. Konfrontiert mit so viel kapitalistischer Uneinsichtigkeit erklärte Langhans das "materielle Leben" für "schlecht, traurig und lieblos". Der wahre Verzicht liege nicht im Konsumverzicht, sondern im Konsum: "Hier, dieser dicke Mensch, der verzichtet auf ein gutes Leben", sagte Langhans und zeigte auf Busch-Petersen.
Festzuhalten bleibt: Wichtiger als die Geschenke ist an Weihnachten die Liebe, da waren sich alle Gäste einig. Festzuhalten ist auch: Zuschauern, die von Anne Will und Frank Plasberg gelangweilt sind, steht mit Marco Seifferts "Klipp & Klar" eine sehenswerte Alternative zur Verfügung. (pro)