Kirchenaustritt gesucht, den Glauben wiedergefunden

Ein Journalist der Wochenzeitung "Die Zeit" hat sich auf die Suche nach seinem eigenen, inzwischen verschütteten katholischen Glauben begeben. Mit der Absicht, aus der Kirche auszutreten, besuchte er Pfarrer im ganzen Land und fragte sie, warum er es nicht tun solle. In seinem Artikel berichtet er von einer Antwort, die ihn selbst überraschte.
Von PRO
Der "Zeit"-Autor Matthias Stolz schreibt, dass er katholisch erzogen worden sei und eigentlich ganz glücklich damit war. "Ich habe das komplette Programm mitgemacht: katholischer Kindergarten, Messdiener, Pfarrjugend, katholisches Gymnasium, ich war Betreuer in Jugendfreizeiten, habe Firmunterricht gegeben, eine Gruppenstunde betreut, war dreimal mit der Isomatte auf Kirchentagen und bestimmt fünfmal in Taizé."

Doch mittlerweile habe er "mit der Kirche nichts mehr am Hut", auch wenn er weiterhin Mitglied sei. Er spiele mit dem Gedanken, auszutreten. Besonders nach der Wahl von Joseph Ratzinger zum Papst und nach dem Streit um die radikalen "Pius-Brüder" sei ihm dieser Gedanke gekommen. "Ich muss, dachte ich mir, die Sache zwischen der Kirche und mir ein für alle Mal klären." Und so beschloss er, an verschiedenen Orten in Deutschland Gespräche mit Priestern zu führen – und zwar in Beichtstühlen. Das sei ein guter Ort, um "unerkannt als Journalist" von der Kirche zu erfahren, was sie wirklich denke.
 
"Dabei glaube ich noch immer an einen Gott", berichtet er. "Nicht dauernd. Manchmal ist das Gefühl für Monate weg, aber dann ist es auf einmal wieder da." Oft rede er auch mit Gott. "Manchmal, wenn mir Bekannte von ihren Yoga-Kursen erzählen, wie sie da zur Ruhe kommen, denke ich: Könntet ihr in einer ganz normalen Kirche auch haben. Ruhig werden, abschalten, nachdenken."

"Papst nicht zu wichtig nehmen"

In einem Kloster in Berlin traf Stolz auf einen Beichtvater, der ihn fragte, was es für ihn bedeute, als guter Christ zu leben. "Auf so eine Frage war ich nicht gefasst. Ich stottere kläglich. Ich wollte über die Kirche reden und nicht über mich. Also versuche ich, schnell wieder zur Papstkritik zu kommen."
Der Priester antwortete, er solle dem Papst nicht zu viel Gewicht geben, schließlich sei er ja nur einer von einer Milliarde Christen. "Als ich widerspreche, weil der Papst ja immerhin der Chef ist, sagt der Pater: ‚Machen Sie sich nicht an einem Mann fest, der 82 ist. Er macht das vielleicht noch drei oder vier Jahre. Es kann danach ein anderer sein, der vieles verändert.’" Der Pater empfahl ihm zudem, sich langsam wieder der Kirche anzunähern. Durch den Besuch einer Gesprächsgruppe etwa. Und er fragte, "ob die evangelische Kirche etwas für mich wäre".

Auf der Reise stellte der Autor mehr und mehr fest, dass sein Leben mit der Kirche verknüpft sei und das keineswegs etwas Schlechtes sei. Ihm kamen Zweifel: "War der Gedanke, auszutreten, nicht doch übereilt? Alles ist heute ganz einfach kündbar. Der Vertrag mit der Telefonfirma und mit dem Stromversorger."

Als Stolz vor der Kirche ein Kind sieht, kommt ihm der Gedanke: "Ich habe in meiner Kindheit gelernt zu glauben, so wie man auch ein Instrument lernt. Als Erwachsener habe ich verlernt, dieses Instrument zu spielen. Jetzt ahne ich, dass es ein Reichtum ist, den ich nicht einfach abgeben sollte." Wie man eine Kerze vor sich herträgt und sie schützend umfasst, "so ähnlich muss ich meinen Glauben jetzt auch schützen, denke ich." (pro)
http://www.zeit.de/2009/52/Beichtstuehle?page=all
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