Kirchen prägen Deutschlands größtes Landesfest

Der Hessentag ist Deutschlands größtes und ältestes Landesfest. Bei seiner 52. Auflage in Wetzlar mischen die Kirchen mit wie nie zuvor: Sie bieten Kunst, Konzerte und Infostände an. Prominente Theologen wie Karl Kardinal Lehmann referieren und diskutieren über ethische Fragen.
Von PRO

Ob der Hessentag trotz des oftmals schlechten Wetters wirklich eine Million Besucher nach Wetzlar gelockt hat, werden die Veranstalter erst nach dessen Ende – am Abend des 10. Juni – wissen. Eines steht aber jetzt schon fest: Christliche Kirchen, Gemeinden und Werke waren so präsent wie noch auf keinem Hessentag zuvor. Auf dem Domplatz in der Altstadt stellen sich zum Beispiel auch Landes- und Freikirchen vor, die zur örtlichen Evangelischen Allianz gehören. "Der sowohl von einer katholischen als auch einer evangelischen Gemeinde genutzte Dom ist die ‚gute Stube‘ von Wetzlar", erklärte Sabine Bockel, Vorsitzende der Evangelischen Allianz Wetzlar, gegenüber pro. "Deshalb wollen wir gerade dort für die Menschen auffindbar sein." Am Stand der Evangelischen Allianz hätten sich "einige tiefgehende Gespräche entwickelt", so Bockel. Der Gideon-Bund habe schon in den ersten Tagen mehrere Hundert Ausgaben der Heiligen Schrift an die Besucher verschenkt.

Auf der großen Bühne direkt vor dem Dom finden täglich für die Besucher kostenlose Open-Air-Konzerte statt – auch christliche Künstler tragen immer wieder zum Programm bei. Am vergangenen Samstag gab es ein Konzert von Judy Bailey, am heutigen Mittwoch treten die deutschsprachigen Liedermacher Johannes Falk, Samuel Harfst, Mischa Marin und Tobias Hundt auf. Das Konzert wird vom Radiosender "ERF Pop" live übertragen. Ganz in der Nähe präsentiert sich auch der "Christliche Verein Junger Menschen" (CVJM): Interessierte haben hier die Möglichkeit, die Aussicht über die Wetzlarer Altstadt von einem Hubwagen aus zu genießen – vorausgesetzt, sie nehmen in einem kurzen Video-Interview Stellung zum Thema "Gott und die Welt".

Wolfram Dette (FDP), Oberbürgermeister der Stadt Wetzlar, findet das Engagement der Kirchen gut. Bereits bei der Allianz-Gebetswoche äußerte er im Januar den Wunsch, Kirchen und christliche Werke in den Hessentag einzubeziehen. Damals bat er die Anwesenden auch um Gebet für ein reibungsloses Gelingen der Großveranstaltung. Das Thema "Gastfreundschaft" sei ein zutiefst christliches Anliegen, und Wetzlar habe durch den Hessentag die Chance, sich über das Bundesland hinaus als guter Gastgeber präsentieren zu können.

Christliche Werke öffnen ihre Türen

Auch in Wetzlar ansässige christliche Werke nutzen den Hessentag: "ERF Medien" ist mit drei Informationsständen präsent, um Passanten auf das christliche Fernseh-, Radio- und Onlineangebot des als "Evangeliums-Rundfunk" bekannt gewordenen Medienunternehmens aufmerksam zu machen. Die "Evangelische Nachrichtenagentur idea" hat am Start- und Schlusswochenende des Landesfestes zu zwei Tagen der offenen Tür eingeladen.

Bereits beim Eröffnungsgottesdienst am vergangenen Freitag fanden sich prominente Kirchenvertreter wie der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider und der Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst in Wetzlar ein (pro berichtete). Am Mittwoch kam auch der Mainzer Bischof Karl Kardinal Lehmann: Er besuchte den Hessischen Landfrauentag und sprach dort zum Thema "Der Mensch zwischen Bewahren und Umgestalten! Zum biblischen Umgang mit der Schöpfung".

Lehmann: Lebensmittel wertschätzen

Die Bibel, so der Theologe, sei ein guter Leitfaden, wenn es darum gehe, die eigene Grundeinstellung zur Schöpfung neu zu überdenken. Laut einer Studie der Universität Stuttgart würden derzeit 11 Millionen Tonnen Lebensmittel jährlich weggeworfen. "Die Existenz vieler Lebensmitteltafeln in den Großstädten ist beschämend", betonte Lehmann. "Die Tafeln" verteilen günstige Lebensmittel an Bedürftige. Die Zahlen könnten eine Besinnung auslösen, "in welcher Überflussgesellschaft wir eigentlich leben". Das Wegwerfen der Lebensmittel schade nicht nur der Umwelt und verbrauche Ressourcen, sondern es koste auch jede Menge Geld.


Der Mainzer Bischof betonte, dass es nicht genüge, "wenn wir gelegentlich bewusster leben. Wir müssen lernen, die Lebensmittel als Früchte der Erde neu einzuschätzen". Oft würden auch die erschreckend niedrigen Preise dazu verführen, einzelne Lebensmittel wegzuwerfen. "Dies ist auch eine Verachtung der Menschen, die sich um deren Herstellung bemühen. Wir brauchen eine neue Einstellung in einer Wegwerf-Gesellschaft."
Lehmann appellierte an die Zuhörer, die eigene Grundeinstellung neu zur Schöpfung zu überdenken: "Bei allen sehr weitgehenden Aufträgen und einer sehr hohen Verfügungsmacht, sind wir doch nur ein Treuhänder über etwas, das uns nicht gehört."

Besinnliche Andachten in der "Himmelskirche"

Die Evangelische Hospitalkirche in der Wetzlarer Altstadt wurde für die Zeit des Hessentages zur "Himmelskirche" umfunktioniert und -dekoriert. Um 13.45 und um 23.30 Uhr werden hier täglich Andachten angeboten. An den Nachmittagen hingegen darf in der Talkrunde "Blaues Sofa" diskutiert werden – zum Beispiel mit EKD-Lutherbotschafterin Margot Käßmann oder dem Vorstandsvorsitzenden von "ERF Medien", Jürgen Werth. Am Samstag gibt es nach dem Abendgottesdienst eine Übertragung des ersten EM-Spiels der deutschen Nationalmannschaft auf Großleinwand – wie auch auf dem Parkplatz der Anskar-Kirche in der Nähe des für den Hessentag neu gestalteten Wetzlarer Bahnhofs.

Die ökumenische Zusammenarbeit der evangelischen Landes- und Freikirchen zusammen mit der Katholischen Kirche hat es in dieser Form beim Wetzlarer Hessentag zum ersten Mal gegeben. Unter dem Motto "Über uns – Ein Himmel für den Hessentag" werden am Sonntag zahlreiche Abschlussgottesdienste angeboten. Der 53. Hessentag beginnt am 14. Juni 2013 in Kassel. (pro)

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