Es waren zwei Welten, so könnte man meinen, die am
vergangenen Samstag bei den dritten Loccumer Gesprächen aufeinandertrafen. Die vermeintlich
schonungslose Welt des Journalismus, vertreten von "taz"-Chefin Ines
Pohl und der Leiterin der Deutschen Presseagentur (dpa) für Norddeutschland ,
Christina Freitag, referierten gemeinsam mit bekannten Köpfen der Kirche in
Deutschland, für die Ethik und Moral im Zentrum stehen sollten: Bischöfin Margot
Käßmann und der Leiter der Evangelischen Fernsehkirche im
NDR, Jan Dieckmann.
Käßmann: "Fronten aufbrechen"
Dabei setzte sich besonders Käßmann für ein aufbrechen der Fronten ein, wie der "Evangelische Pressedienst" (epd) berichtet. Die Medien seien auf kurze Beiträge eingestellt, bei der Kirche hingegen dauere eine Predigt mindestens 15 Minuten. So redeten beide Seiten häufig aneinander vorbei. Medienvertreter beachteten oft nicht, dass zwei Drittel der deutschen Bevölkerung zu einer Kirche gehörten und dass jeden Sonntag rund fünf Millionen Menschen zum Gottesdienst kämen, sagte Käßmann laut epd. Kirchenvertreter wiederum dächten oft, dass Journalisten nur auf Sensationen aus seien und nicht sorgfältig recherchierten. Beide Seiten seien deshalb auf mehr Transparenz angewiesen: "Ich erwarte von den Medien aber auch einen gewissen Respekt vor dem christlichen Glauben", so die Bischöfin.
Vor 180 Journalisten wies Jan Diekmann auf den Zeitdruck hin, unter dem Redaktionen in der Regel stehen: "Je mehr Geschwindigkeit, desto mehr Qualität geht automatisch verloren", sagte er. Der Deutsche Presserat habe nur wenig Möglichkeiten, wirksam einzuschreiten, wenn Medien bei ihrer Berichterstattung über Gewalttaten die Würde der Opfer verletzten. "Eine Rüge ist ein Instrument, das relativ stumpf ist", zitiert der epd den Fernsehpastor.
"Twitter": Fluch oder Segen?
Wie schwer es Medienvertretern fallen kann, ethisch korrekt zu handeln, verdeutlichte Ines Pohl von der "taz" an dem Beispiel zweier Tageszeitungen: Die eine bringe Fotos von Unfällen mit Todesopfern regelmäßig auf der Titelseite, die andere nicht. Die erste habe ihre Auflage gesteigert, die zweite sei in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Das seien die ökonomischen Bedingungen, unter denen die Medien heute stünden. Durch den Nachrichtendienst "Twitter" und das Internet seien allerdings nützliche Recherchequellen gewonnen worden, die die Arbeit von Journalisten erleichtern und verbessern könnten. "Da sind Gefahren drin, aber auch Chancen", zitiert der epd. Über "Twitter" habe die taz etwa Informationen aus Krisengebieten im Nahen Osten bekommen, die sie sonst nie erhalten hätte.
dpa-Leiterin Christina Freitag hingegen hob die Gefahren der Neuen Medien hervor. Durch Blogs und "Twitter" sei eine neue Art der Öffentlichkeit entstanden, in der in hoher Geschwindigkeit alles Mögliche verbreitet werde. "Die Entblößung im Internet ist relativ groß", sagte sie. "Jeder, der eine Kamera halten kann, macht Nachrichten und produziere damit womöglich "eine Ansammlung von Banalitäten".
Die Reihe "Loccumer Gespräche" wird von der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Akademie Loccum, dem Kloster Loccum und der Hanns-Lilje-Stiftung jährlich veranstaltet, um mit bestimmten Berufsgruppen ins Gespräch zu kommen berufsethische Fragen zu diskutieren. Eine Zusammenfassung der Diskussion strahlt der Hörfunksender "NDR Info" am heutigen Montag um 20.30 Uhr aus. (PRO)