Kirche muss Kirche bleiben

"Der Souverän in der Kirche ist Jesus Christus." Dies betont der Münchener Erzbischof, Reinhard Kardinal Marx, im Interview mit der Tageszeitung "Die Welt". Darin äußert sich der 58-Jährige zu den Mitteln und Zielen der Katholischen Kirche, dem Verkauf des "Weltbild"-Konzerns und der Weihe von Frauen zu Diakonen. Auch das Verhältnis von Kirche und Staat erläutert Marx gegenüber "Welt"-Redakteur Gernot Facius.
Von PRO

Um kirchliche Aufgaben auszuführen, müssten Ziele und Mittel im rechten Verhältnis stehen, betont Marx. Wenn die Mittel die Ziele bestimmten, laufe etwas falsch. Als freier Träger aktiv im sozial-karitativen und im Bildungsbereich tätig zu sein, eröffne der Kirche viele Chancen. Die Gefahr für alle freien Träger bestehe darin, ob sie das, was sie tun, auch mit ihren Inhalten füllen können.

Keine Werteagentur oder Zivilreligion

Papst Benedikt XVI. wolle auf keinen Fall Kirche und Welt gegeneinander stellen: "Der Papst appelliert gerade deshalb an uns alle, aufzupassen, dass Kirche wirklich Kirche bleibt und nicht verlängerter Arm des Staates wird, nicht eine Wohltätigkeitsorganisation, nicht eine Werteagentur oder Zivilreligion", stellt Marx klar. Ihre Unabhängigkeit vom Staat habe sie bei ihren Stellungnahmen zum Lebensschutz, zu Ehe und Familie und zu Friedensfragen ausreichend bewiesen.

In seiner Funktion als Bischof befinde er sich derzeit mit dem Freistaat Bayern im Gespräch über Staatsleistungen: "Wenn es aber um die Grundfrage geht – ich sage es einmal provokativ ‚Will Deutschland ein laizistischer Staat werden?‘ -, da haben wir als Kirche eine klare Gegenposition. Weil sich der Staat dann nämlich selber in eine Richtung entwickeln würde, die demokratietheoretisch bedenklich wäre."

Weil der Staat nicht alles abdecke, sei es gut, dass die Kirche öffentlich wirke. Den derzeitigen deutschen Mittelweg, mit einem kooperativen Verhältnis von Staat und Kirche, halte er für gut und richtig. Dazu gebe es einen breiten Konsens im gesellschaftlichen Grundgefüge. Vor allem die inhaltliche Profilierung der eigenen Einrichtungen liegt Marx am Herzen. Dazu brauche es Mitarbeiter, "die unsere Ziele leben". Deswegen frage er sich, ob genug getan werde, damit die Mitarbeiter diese Ziele auch leben können.

"Weltbild"-Verkauf hat sozialethische Dimension

Die Entscheidung, den "Weltbild"-Konzern zu verkaufen, ist aus Marx‘ Sicht richtig. Bereits als Bischof von Trier habe er hinterfragt, ob die Kirche eigentlich dazu in der Lage ist, ein so großes Unternehmen zu verantworte: "Ich glaube, die Entscheidung ist richtig, den Verkauf in die Wege zu leiten. Wir müssen dabei in verantwortlicher Weise vorgehen, auch im Blick auf die Mitarbeiter, denn hier wird die sozialethische Dimension berührt."

Klare Vorstellungen hat Reinhard Kardinal Marx auch, was das Familienbild betrifft. Trotz aller Belastungen für die Menschen werde die katholische Kirche "daran festhalten, dass es nur eine sakramentale Ehe gibt, dass die eheliche Verbindung von Mann und Frau, die offen ist für Kinder, einen besonderen Charakter hat". Auf die Frage, wie die Kirche mit dem Scheitern von Ehen umgehen soll, habe er selbst keine einfache Antwort. Der Sinn der Predigt Jesu sei es, "Leben zu ermöglichen, die Menschen nicht wegzustoßen, sondern sie anzunehmen".

Über notwendige bessere Beteiligung der Frauen nachdenken

Bezüglich der Weihe von Frauen zu Diakonen gilt Marx als Hardliner: Die Bemühungen der Laien, dort bestimmte theologische Forderungen zu stellen, hält er für nicht angebracht: "Es geht hier um eine sehr grundsätzliche Frage. Das schließt nicht aus, dass wir weiter darüber nachdenken, was im Blick auf die notwendige bessere Beteiligung von Frauen in der Kirche, auch und gerade im Bereich der Leitungsaufgaben, getan werden kann." Auch wenn Kirche und Staat im Aufbau gewisse Ähnlichkeiten hätten, sei der "Souverän in der Kirche Jesus Christus. Nicht das Volk".

Dass durch die Debatte über die Missbrauchsfälle die Probleme öffentlich wurden, beruhigt den Kardinal nicht. Das Gefühl zu sagen, andere sind ja auch schuldig geworden, sei ihm fremd. "Nun muss versucht werden, beim Thema Opferschutz und Prävention voranzukommen. Was uns als Kirche möglich ist, das versuchen wir zu tun". Auch zu einem geplanten NPD-Verbot bezieht der Theologe Stellung: "Es ist zutiefst verstörend für eine demokratische, eine offene Gesellschaft, wenn wir praktisch gezwungen sind, mit Steuergeldern rechtsextremistische Propaganda zu unterstützen. Das abzustellen ist Sache der Politik und der Rechtsprechung, das geht über meine Kompetenz hinaus."

Nach dem Abitur studierte Marx an der Theologischen Fakultät Paderborn und in Paris katholische Theologie. 1979 empfing er die Priesterweihe. Zwei Jahren als Vikar schloss er eine wissenschaftliche Karriere an, die er mit Promotion an der Ruhr-Universität Bochum zum Thema "Ist Kirche anders? Möglichkeiten und Grenzen einer soziologischen Betrachtungsweise" abschloss. 1996 wurde er zum außerordentlichen Professor für Christliche Gesellschaftslehre an die Theologische Fakultät Paderborn berufen. Die Bischofsweihe spendete ihm Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt 1996. Fünf Jahre später berief ihn Papst Johannes Paul II. zum Bischof von Trier. Papst Benedikt XVI. ernannte ihn 2007 zum Erzbischof von München und Freising. Im feierlichen Konsistorium nahm dieser ihn 2010 als Kardinalpriester in das Kardinalskollegium, das den Papst wählt, auf. Marx ist damit derzeit der jüngste aller deutschen Kardinäle. (pro)

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