Kirche kann sich nur begrenzt in Politik einmischen
Kirchen wollen ihre Überzeugungen in die Politik einbringen. Doch auch Politiker, die Christen sind, können sie nur begrenzt umsetzen. Christliche Ethik kann nicht der allein bestimmende Faktor von Politik sein. Ein Kommentar von Moritz Breckner
Von PRO
Foto: Deutscher Bundestag/Marc-Steffen Unger
Viele Bundestagsabgeordnete sind Christen. Nicht immer können oder wollen sie den Empfehlungen ihrer Kirchen folgen.
Die Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) findet klare Worte in einem offenen Brief, der sich an Bundeskanzlerin Angela Merkel, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sowie EU-Ratspräsident Donald Tusk richtet. „Abschottung und nationaler Egoismus sind für uns keine Optionen europäischer Identität“, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Schreiben, das deutliche Kritik am Flüchtlingsabkommen mit der Türkei übt. „Als Christinnen und Christen in evangelischen Freikirchen sind wir der Überzeugung, dass es für Europa unverzichtbar ist, Menschen in ihrer existenziellen Not Schutz zu bieten.“
Die europäische Staatengemeinschaft müsse mehr Verantwortung übernehmen beispielsweise für Flüchtlinge, die im Schnellverfahren von Griechenland in die Türkei zurückgeschickt werden. Im November hatte die VEF die großzügige Flüchtlingspolitik der Bundesregierung gelobt. Der aktuelle offene Brief richtet sich mit seinem Vorwurf der Abschottung entsprechend an „manche europäischen Partner“, teilte die VEF mit – in diesem Lichte ist er nachvollziehbar, schließlich hat Deutschland 2015 1,1 Millionen Flüchtlinge und Asylbewerber aufgenommen, und damit wirklich keinen „nationalen Egoismus“ gezeigt.
Staat darf nicht barmherzig sein
Der Theologe und SPD-Politiker Richard Schröder sieht das etwas anders als die VEF. Er hat sich am Dienstag in der Zeitung Die Welt Gedanken über kirchliche Einmischung in die Politik gemacht. Während die Kirchen zwar von ihren Mitgliedern mehr Barmherzigkeit verlangen dürften, dürfe der Staat nicht barmherzig sein, sondern müsse die Folgen seines Handelns bedenken. Die traurigen Kinderaugen der Flüchtlinge in Idomeni rührten den Barmherzigen wie den Politiker, aber Letzterer müsse fragen: „Was passiert, wenn ich heute 10.000 Menschen hierherhole? Dann nämlich sind morgen weitere 10.000 Menschen da, die auch nach Deutschland wollen. Kurzum: Wenn der Staat barmherzig wäre, wäre er korrupt, denn er würde Ausnahmen machen.“
Kritik an einer angeblichen „Festung Europa“ weist der frühere Pfarrer zurück: Einen Staat ohne Grenzen könne es nicht geben, weswegen es an den Außengrenzen der EU eine „Einlasskontrolle“ geben müsse. „Unbegrenzte Zuwanderung bedeutet unbegrenzte Ausgaben ohne entsprechende Einnahmen“, sagte Schröder.
Politik braucht eine ethische Orientierung, sonst würde sie in Willkür versinken. Christliche Werte und Überzeugungen spielen dabei eine elementare Rolle. Deshalb ist es gut, wenn sich die Kirchen einmischen, um immer wieder daran zu erinnern. Christliche Ethik kann aber nicht der allein bestimmende Faktor von Politik sein, strategische, diplomatische und schlicht politische Faktoren spielen für die Handlungsentscheidungen genauso eine Rolle. Immer wieder gilt es dabei, Kompromisse zu finden und auch Wertorientierungen gegeneinander abzuwägen. Diese Spannung ist gerade für Politiker, die Christen sind, eine Herausforderung. Die Kirchen können sie mit Gebet unterstützen – aber auch mit Barmherzigkeit, wenn sie sich nicht immer dazu in der Lage sehen, kirchliche Appelle politisch umzusetzen. (pro)
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