Kinobesuch Pflicht trotz religiöser Bedenken

Schulen sind nicht verpflichtet, Kinder aus religiösen Gründen von einem Kinobesuch während der Unterrichtszeit freizustellen. Dies hat das Verwaltungsgericht in Münster entschieden und damit die Klage der Eltern eines Siebtklässlers abgewiesen. Die Zeugen Jehovas wollten ihren Sohn aus religiösen Gründen vom Kinobesuch befreien lassen.

Von PRO

Der Vorfall spielte sich bereits 2008 an einem Gymnasium in
Bocholt ab. Alle siebten Klassen der Schule behandelten die Lektüre "Krabat"
im Unterricht und besuchten im Rahmen des Deutschunterrichts die Kinovorführung
des gleichnamigen Films.

Otfried Preußlers Buch "Krabat" zählt zu den Klassikern der Jugendliteratur. Die bereits 1971 veröffentlichte Geschichte handelt von dem Waisenjungen Krabat, der eine Lehre in einer Mühle beginnt. Nach kurzer Zeit merkt er, dass dort schwarze Magie unterrichtet wird. Das Buch erhielt zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen. Die Stiftung Lesen hatte zum Start des Kinofilms in der Reihe "Ideen für den Unterricht" eine Broschüre mit methodisch-didaktischen Anregungen für Schulen bereit gestellt sowie einen Kreativwettbewerb für Schule ausgeschrieben.

Die Eltern baten die Schule darum, ihren Sohn aus religiösen Gründen vom Kinobesuch zu befreien. Wie "Spiegel Online" berichtet, wollten sie als Zeugen Jehovas den Jungen von den "bösen Geistermächten" fernhalten und sähen sich auch selbst keine "mystischen Filme" an. Obwohl die Schule sich weigerte, den Sohn von dem als Unterrichtsveranstaltung geltenden Kinobesuch  zu befreien, erschien der Junge nicht zu der Filmvorführung. Gegen die Eltern wurde wegen Verletzung der Schulpflicht ein Bußgeldverfahren eingeleitet, das inzwischen eingestellt wurde.

Gewissenskonflikt kein ausreichender Grund

Die Eltern klagten vor dem Verwaltungsgericht in Münster und wollten feststellen, ob die Entscheidung der Schulleitung rechtswidrig sei. Die Richter entschieden, dass die Schule einen Schüler nicht aus religiösen Gründen vom Kinobesuch befreien muss, wenn es sich um eine schulische Pflichtveranstaltung handelt. Die Berufung auf einen aus der Glaubensfreiheit resultierenden Gewissenskonflikt sei kein ausreichender Grund für eine Unterrichtsbefreiung.

Zwar sei das Grundrecht auf religiöse Kindererziehung verfassungsrechtlich geschützt, es verleihe Eltern aber weder den Anspruch, dass der Unterricht nach ihren religiösen Vorstellungen ausgerichtet werde, noch das Recht, ihre Kinder von bestimmten Unterrichtsinhalten fernzuhalten. Ansonsten würde die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Schule beeinträchtigt.

Mit der Filmveranstaltung "Krabat" habe sich die Schule "im Rahmen des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrages gehalten", das Neutralitätsgebot nicht verletzt und auch den Eltern "Raum zur Vermittlung ihrer individuellen Glaubensüberzeugungen gelassen". Der Schule sei es darum gegangen, die Verführbarkeit des Einzelnen durch totalitäre Versuchungen aufzuzeigen und die Stärkung der Fähigkeit der Schüler zu selbstständiger Entscheidung und rational reflektierter Lebensführung zu bewirken, berichtet das Internetportal "Bildungsklick".

Die Entscheidung des Gerichts ist noch nicht rechtskräftig. Laut den "Westfälischen Nachrichten" will der Anwalt der Familien gegen das Urteil Berufung einreichen.

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