Kino, Kunst und Kirche auf der Berlinale

Religion und Glauben sind von jeher Thema des Kunstkinos – so auch auf der Berlinale. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich: Kunst mischt sich nicht nur ins Glaubensleben ein. Vielerorts mischen Christen auch in der Kunst mit.
Von PRO

Der Potsdamer Platz in Berlin erstrahlt dieser Tage in rot und gold. Rot ist die Farbe der Berlinale, eines der bedeutendsten Filmfestivals weltweit. Gold leuchten die tausenden Lichter, die Bäume und Gebäude rund um diese neue Mitte der Hauptstadt schmücken. Berlinale, das bedeutet Getümmel, endloses Schlangestehen und mehr Starrummel als zu irgendeinem andern Zeitpunkt im Jahr. Gerade für junge Filmschaffende ist das Festival eine Chance, Größen der Branche kennen zu lernen und vielleicht sogar einmal sein Können zu beweisen. Um Können und Größe geht es am Mittwoch im australischen Restaurant "Corroboree" im Herzen des Berlinale-Geschehens nicht. Statt "Brangelina" und Stephen Spielberg soll hier Gott im Mittelpunkt stehen.

Leidenschaft für Kino und Gott

30 bis 40 Filmschaffende sind hierher gekommen, um andere Christen kennen zu lernen, Gebetsgemeinschaften zu gründen und sich gegenseitig zu unterstützen – "Synergien zu schaffen", wie die Regisseurin Janina Hüttenrauch ("Maria Prean – Das Leben wird immer schöner") das nennt. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Marc-Andreas Borchert ("Empathie") und dem Produzenten Christoph Silber ("Nordwand") hält sie die "Faith in Film Lounge" auf der Berlinale am Leben. Seit fünf Jahren dient das Forum christlichen Filmemachern unterschiedlichster Couleur und ist dabei stetig gewachsen. Am Mittwoch sitzen am Potsdamer Platz Schauspieler, Film-Missionare, Studenten und Journalisten am Tisch. Sie alle verbindet die Leidenschaft für Kamera oder Bühne – und für Gott.

Nicht nur hier bietet die Berlinale Raum für Gott und die Diskussion über den Glauben. 15 Filme zum Thema Religion laufen auf dem Festival, drei davon im Jugendprogramm. "Electrick Children" aus den USA zeigt zum Beispiel das Mädchen Rachel, eine junge Mormonin. Aus der Enge ihrer Gemeinde ist sie ausgerechnet nach Las Vegas geflohen. Sie ist schwanger. Und sie ist überzeugt, dass ein verbotener Rocksong, heimlich im Keller gehört, ihre Schwangerschaft bewirkt hat.

"Lal Gece" (Night of Silence), ein türkischer Film, beschäftigt sich mit der Zwangsheirat in traditionellen islamischen Gemeinschaften. Ein Mädchen heiratet darin einen wesentlich älteren Mann. Weder die Braut noch der Bräutigam hatte eine Wahl. Als ruhiges Kammerspiel und unter völligem Verzicht auf Filmmusik erzählt Regisseur Reis Çelik die tragische Geschichte einer ungewöhnlichen Hochzeitsnacht. Der Bräutigam ist gerade aus dem Gefängnis entlassen. Wegen zweier Ehrenmorde hat er dort den größten Teil seines Lebens verbracht. Die Heirat soll eine lange Blutfehde beenden. Nach der Zeremonie mit der Braut allein, hebt er erstmals ihren Schleier und schaut in das verängstigte Gesicht einer Vierzehnjährigen.

Kritik an Evangelikalen in Chile

"Joven & Alocada" (Young & Wild) widmet sich schließlich kritisch der evangelikalen Szene in Chile. Daniela, die Protagonistin, ist ein stilles und apartes Mädchen. Aber ihre Gedanken sind wild und kreisen vor allem um Sex und ihr Bedürfnis nach Selbstentfaltung. Sie betreibt einen Blog, in dem sie offen über alles schreibt, was sie bewegt. Im Elternhaus muss sie das heimlich tun. Denn sie stammt aus einer noblen Familie ebenso wohlhabender wie strenggläubiger Evangelikaler und ist nur von Verboten umgeben. Weil Daniela doch einmal mit einem Jungen geschlafen hat, wird sie von der Schule verwiesen. Ihre Mutter betrachtet sie nun als Schande, und versucht sie mit Zwangsmaßnahmen auf den rechten Glaubensweg zurückzubringen.

Gerade junge Zuschauer seien offen für religiöse Themen im Film, erklärt Maryanne Redpath, die Leiterin der Sektion "Generation 14plus", dem Jugendprogramm des Festivals, im "Deutschlandradio": "Ich finde, dass die Jugendlichen in Berlin sehr toll und intelligent gegenüber solchen Konflikten reagieren und eine große Neugier haben gegenüber dem, was eine Religion betrifft", sagt sie. Die Filme, die auf der Berlinale liefen, hätten aber keineswegs zum Ziel, die Menschen in die Kirche zu bringen – vielmehr sei es deren Aufgabe, die Diskussion über unterschiedliche Lebenswege und -bilder anzuregen.

Ökumenische Jury prämiert Filme

Seit 1992 prämiert eine eigens eingerichtete ökumenische Jury Filme der Berlinale. Die Experten ehren mit ihren Preisen Filmschaffende, die in ihren Filmen ein menschliches Verhalten oder Zeugnis zum Ausdruck bringen, das mit dem Evangelium in Einklang steht, oder die es in ihren Filmen schaffen, die Zuschauer für spirituelle, menschliche und soziale Werte zu sensibilisieren. Im vergangenen Jahr prämierte die Jury etwa den Film "Nader und Simin, eine Trennung", der die Zerrissenheit der iranischen Gesellschaft – zwischen Moderne und islamischer Tradition – zeigt.

Kino ist durchaus auch etwas für die Kirche, findet auch die Kulturbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Oberkirchenrätin Petra Bahr: "Im Kino werden Geschichten erzählt, die eine gemeinsame Identität erzeugen können. Mit starken Bildern, die hinter die Klischees sehen, die wir uns voneinander machen, werden bei der Berlinale Grenzen überwunden", sagte sie am Sonntag auf einem Empfang im Rahmen der Berlinale. Und weiter: "Die Kirchen haben allen Grund, sich mit diesem Kino zu verbünden." (pro)

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