Die familiäre Herkunft bestimmt nach wie vor die Zukunft der meisten Kinder. Das ist ein Ergebnis der World Vision-Kinderstudie, die das christliche Hilfswerk am Donnerstag in Berlin vorgestellt hat. Die Erhebung stellt zudem fest: Die Alleinverdiener-Familie ist auf dem Rückzug – die Kinder stört das wenig.
Von PRO
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„Es hat sich nichts zum Besseren gewandelt“, sagen Experten über die ungleichen Chancen von Kindern aus unterschiedlichen Schichten
Vier Fünftel der Kinder in Deutschland sind zufrieden mit ihrem Leben – ein schönes Erhebungsergebnis, allerdings nur auf den ersten Blick. Denn glücklich zeigten sich vor allem Kinder aus der Oberschicht. Ein Drittel derjenigen, die armutsgefährdet oder -betroffen sind, erklärten, sie seien nicht zufrieden. Die Erhebung stellt fest: Nach wie vor entscheidet die Herkunft in den meisten Fällen über die Bildungs- und Berufszukunft der Kinder. So machen zwei Drittel derjenigen aus der Oberschicht Abitur, aber nur ein Sechstel derjenigen aus der untersten Bildungsschicht.
„Kinder erleben Bildungsarmut“, stellte deshalb der Bildungswissenschaftler Klaus Hurrelmann fest. Gemeinsam mit der Kindheitsforscherin Sabine Andresen und dem Institut TNS Infratest Sozialforschung hatte er die World Vision-Studie auf den Weg gebracht. Er erklärte bei der Vorstellung in Berlin, von der Grundschule an hätten Kinder aus höheren Schichten Vorteile. „Es hat sich nichts zum Besseren gewandelt“, sagte auch Andresen. Insgesamt erlebe fast jedes fünfte Kind aus Armutsgründen eine zentrale Beschränkung, etwa in der Freizeitgestaltung.
Alleinverdiener sterben aus
Ein Drittel aller Kinder wächst in Familien auf, in denen nur ein Elternteil arbeitet. Die klassische Alleinverdiener-Familie ist damit auf dem Rückzug. Jedes zehnte Kind lebt bei einem Vollzeit arbeitenden alleinerziehenden Elternteil. Diese Kinder und solche von arbeitslosen Eltern beklagen sich am häufigsten darüber, dass ihre Eltern zu wenig Zeit für sie haben. Kinder, deren Mutter und Vater arbeiten, sehen laut Studie nur in acht Prozent der Fälle ein Problem durch Zeitmangel ihrer Eltern. Hurrelmann erklärte das so: „Die Kinder wollen, dass ihre Eltern mitten in der Gesellschaft stehen.“ Deshalb befürworteten sie deren Berufstätigkeit.
Zugenommen hat laut Kinderstudie die Zahl der Kinder in Ganztagsschulen. Im Osten Deutschlands besuchen doppelt so viele Kinder eine Ganztagsschule wie im Westen. Jedes dritte Kind aus unteren Schichten nutzt das Angebot – gesamtgesellschaftlich ist es jedes vierte. Über 60 Prozent sind zwar mit der Schulform zufrieden, bei Kindern aus der Unterschicht zeigt sich aber auch hier eine Abweichung. Von diesen gaben lediglich 41 Prozent an, in der Ganztagsschule glücklich zu sein.
Die Unterschicht zockt, die Oberschicht kickt
Auch in Bezug auf das Freizeitverhalten zeigen sich gravierende Unterschiede zwischen Kindern verschiedener Herkunftshintergründe. Kinder der oberen Schichten sind zu einem weit überwiegenden Teil Mitglied in einem Verein, bei den Kindern der unteren Schicht sind es weniger als die Hälfte. Ausgiebige Medienkonsumenten treffen seltener Freunde als andere Kinder und stammen vorrangig aus einer unteren Schicht. Rund 50 Prozent aller Befragten sehen „sehr oft“ fern, das ist etwas weniger als im Jahr 2007. Etwa ein Drittel nutzt Computer- oder Videospiele.
Für die Studie wurden 2.500 Kinder zwischen sechs und elf Jahren befragt. Es ist die dritte World Vision-Kinderstudie. Erstmals gab es die Erhebung im Jahr 2007. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende von World Vision, Christoph Hilligen, erklärte: „Wir brauchen eine Politik für Kinder!“ Gerade Kinder aus sozial schwachen Familien würden benachteiligt. Er forderte die Politiker der neuen Bundesregierung auf, soziale und kultureller Ungleichheiten abzubauen. Hurrelmann wünschte sich mehr Instrumente zur Beteiligung von Kindern. Sie selbst könnten schließlich am besten einschätzen, wie gut eine Kindertagesstätte, Schule oder Familie sei. (pro)
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