Kinderkrippen – ein Hort der Chancengleichheit?

Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung soll zeigen, dass Krippenkinder besonders häufig an Gymnasien angemeldet werden. Doch die Schlussfolgerungen der Studie, die am Mittwoch veröffentlicht wurde, sind umstritten. So bezeichnete etwa das Familiennetzwerk Deutschland die Studie als "wissenschaftlich nicht haltbar".
Von PRO

„Der gezielte Ausbau frühkindlicher Bildungs- und Betreuungsangebote erhöht nicht nur die Wahrscheinlichkeit der Kinder in Deutschland erheblich, später ein Gymnasium zu besuchen. Durch das zu erwartende höhere Lebenseinkommen führt er auch zu einem deutlich größeren volkswirtschaftlichen Nutzen“, heißt es in einer Pressemitteilung der Bertelsmann-Stiftung. Somit sei die Krippe „der entscheidende Ausgangspunkt für die Bildungskarrieren“ von Kindern, berichtet die Wochenzeitung „Die Zeit“.

Für die Studie wurden die Bildungswege von mehr als tausend Schülern der Geburtsjahrgänge 1990 bis 1995 verglichen. Rund 16 Prozent dieser Kinder hatten eine Krippe besucht, die Hälfte von ihnen ging anschließend auf ein Gymnasium. Vor allem von Krippenkindern mit Migrationshintergrund gehe fast die Hälfte auf ein Gymnasium. Von den Kindern hingegen, die keine Krippe besuchten, schaffe das nur etwa ein Drittel.

„Auf Vermutungen gestützt“

Das Familiennetzwerk allerdings sieht das anders. Es könne „lediglich eine einzige Aussage“ mit der Studie gemacht werden: Eltern von Krippenkindern melden ihre Kinder öfter an Gymnasien an als Eltern, die ihre Kinder selbst betreut haben. „Alles andere ist Spekulation und stützt sich auf Vermutungen“, sagte die Vorsitzende des Familiennetzwerkes, Maria Steuer.

Die Studie gebe keine Antwort auf die zentrale Frage nach dem ursprünglichen Zusammenhang, heißt es auch kritisch in der „Zeit“. Fragen nach der Intelligenz oder nach dem bestandenen Abitur dieser Kinder blieben aus, kritisiert zudem das Familiennetzwerk. Auch über die Qualität der Krippen sage die Studie nichts aus.

In der Studie heißt es: „Für die Isolation des Einflusses des Krippenbesuchs auf die Einstufung in der Sekundarstufe I wurden weitere Einflüsse wie die Bildung der Eltern, Einkommen und Anzahl Geschwister sowie Geschlecht, Geburtsjahrgang und Herkunft (Migration, Ost/West) gleichzeitig gemessen.“ Damit solle sicher gestellt werden, dass der ermittelte Effekt des Krippenbesuchs nur auf diesen und nicht auf die anderen Effekte zurückzuführen sei.

„Volkswirtschaftlicher Nutzen rein spekulativ“

Steuer hingegen sagte, dass die wesentliche Voraussetzung für Erfolg in Beruf und Leben die stabile Persönlichkeitsstruktur und so genannte „emotionale Intelligenz“ sei. „Und auch dazu hat die Studie keinen Beitrag geleistet. Damit ist auch der zukünftige volkswirtschaftliche Nutzen, der aus der Leistung der Kinder errechnet wird, rein spekulativ. Und eines sagt die Studie mit Sicherheit nicht aus: Wer die Krippe besucht, sei intelligenter und könne leichter das Abitur machen. Man fragt sich, warum so eine hochspekulative unseriöse Studie veröffentlicht wird.“

Die Bertelsmann-Stiftung setzt sich nach eigenen Aussagen für das Gemeinwohl ein. Sie engagiert sich in den Bereichen Bildung, Wirtschaft, Soziales und Gesundheit sowie für die internationale Verständigung. Die Stiftung wurde im Jahr 1977 gegründet und hält die Mehrheit des Aktienkapitals der Bertelsmann AG. (PRO)

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