Keine Monopoly-Regeln



Die FDP beschäftigt sich derzeit mit ihrem Grundsatzprogramm und dem Verhältnis von Staat und Kirche. Ihr Generalsekretär Christian Lindner stellt in einem Interview mit der "Jüdischen Allgemeinen" dar, wie viel Staat die Kirche braucht und umgekehrt. Ebenso äußert sich der Liberale zu den aktuellen politischen Entwicklungen und zu einem möglichen NPD-Verbotsverfahren.
Von PRO

Das Zusammenleben zwischen Menschen könnten nur weltliche Gesetze prägen, so Lindner. "Der Rechtsstaat des Grundgesetzes ist keine blutleere Sammlung von Monopoly-Regeln, sondern eine Werteordnung. Sie muss die Klammer oberhalb unterschiedlicher Glaubensbekenntnisse sein", fügt der FDP-Politiker hinzu. Nur ein weltanschaulich neutrales Recht könne in einer multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft den Zusammenhalt sichern und zur Versöhnung zwischen den verschiedenen Glaubensbekenntnissen führen.


"Religionsgemeinschaften Teil des verbindenden Kitts"


Im öffentlichen Raum sei es zwingend notwendig, dass weltliche Gesetze Vorrang vor religiösen Gesetzen hätten: "In der Gesellschaft und der Privatsphäre kann und darf Religion eine andere Bedeutung haben, solange es keine Konflikte mit staatlichem Recht wie teilweise durch die Scharia gibt", macht Lindner deutlich. Das Grundgesetz verweise darauf, dass der Staat trotz weltanschaulicher Neutralität Interesse an lebendigen Religionsgemeinschaften habe, "weil sie Teil des verbindenden Kitts der Gesellschaft sind". Als Beispiel nennt Lindner die Gewährleistung des Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen "für alle Glaubensrichtungen".

In der Integrationsdebatte dürfe es keine politische Kategorie sein, woher jemand komme und was er glaube. Die deutsche Verfassungsgeschichte würde dann verklärt, wenn sie vor allem aus einer religiösen Perspektive interpretiert werden würde. "Eine Religion wie das Judentum, die ihre eigene Freiheit jährlich mit dem Pessachfest feiert, entwickelt ein anderes Staatsverständnis als wir Deutsche, die seit Hegel den Staat als Verwirklichung des objektiven Geistes missverstehen", nennt Lindner Beispiele.


"Brauchen ein Immunsystem gegen antisemitische Tendenzen"


Die antisemitischen Äußerungen innerhalb der Linkspartei hält Lindner für inakzeptabel: "Es muss eine Art Immunsystem in Deutschland geben, das solche antisemitischen Tendenzen immer wieder benennt und dann entschieden zurückweist", wünscht sich Lindner. Ein NPD-Verbotsverfahren müsste nicht nur juristisch sehr genau geprüft werden. Ein gescheitertes Verfahren mit einem Richterspruch der unabhängigen deutschen Verfassungsgerichte könne am Ende noch als Gütesiegel missbraucht werden: "Prinzipiell sollten wir uns übrigens fragen, ob man sich einer Partei, die öffentlich agiert, vielleicht eher erwehren kann als einer verbotenen Organisation, die Strukturen und Netzwerke im Halbschatten unterhält", erläutert der FDP-"General".


Auch innerhalb der FDP gab es in der Vergangenheit solche Tendenzen: Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Jürgen Möllemann wurde 2002 während des Bundestagswahlkampfes durch den Beschluss eines Bundesparteitages für den sogenannten "Sharon-Friedman-Flyer" gerügt, in dem er alle Schuld am Nahost-Konflikt an diesen beiden festgemacht hatte. "Im Jahr 2002 hat er sich völlig verrannt", stellt Lindner klar und betont gleichzeitig, dass seine Partei damals nicht von der Antisemitismus-Debatte profitiert hat.


Eine vermittelnde Rolle einnehmen


In Bezug auf die heutigen deutsch-israelischen Beziehungen sei klar, "dass das deutsch-israelische Verhältnis einen besonderen und einzigartigen Charakter haben muss. Für Deutschland ist es Teil der Staatsräson, für Israels Existenz und Sicherheit einzustehen. Wenn man das zeitgemäß interpretiert, heißt das auch – wo es möglich und gewünscht ist – eine vermittelnde Rolle zwischen Israel und seinen Nachbarn einzunehmen, damit es irgendwann Frieden in der Region gibt."

Auch zur derzeitigen Lage in Israel äußert sich Lindner: "Es ist klar, dass beide Seiten Konzessionen machen und darüber hinaus in einen fairen Austausch eintreten müssen. Genauso ist aber auch klar, dass es vielen Menschen in Israel schwerfallen muss, über eine friedliche Koexistenz nachzudenken, wenn fortwährend Raketen auf sie abgefeuert werden." Der 32-jährige Lindner ist seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestags und wurde kurz darauf auf Vorschlag von Guido Westerwelle auch Generalsekretär der Liberalen. (pro)

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