Keine Lust auf Big Brother

Soziale Netzwerke bieten vielfältige Möglichkeiten. Für den britischen Premierminister David Cameron sind sie zurzeit eher lästig. Aufgrund der anhaltenden Krawalle unter Jugendlichen erwägt er, Twitter, Facebook oder Blackberry-Dienste zu beschränken – und erntet dafür heftige Kritik.
Von PRO

Mit dem angedachten Verbot verbunden ist auch die Frage, ob und wie viel Privatsphäre der Staat überwachen darf. "Wenn Menschen soziale Netzwerke für Gewalt nutzen, müssen wir sie stoppen", begründet der Premierminister – laut "Zeit Online" – sein Vorhaben vor dem britischen Parlament. Der "Guardian"-Autor und bekannte Blogger Jeff Jarvis verglich Camerons Idee mit der Vorgehensweise von "China oder arabischen Tyrannen". Omar Waraich, ein pakistanischer Journalist, bezieht sich mit seiner Kritik auf eine Aussage des britischen Regierungschefs, der die sozialen Medien vor wenigen Jahren noch als "mächtiges Instrument in den Händen der Bürger", und "nicht ein Mittel der Repression" gesehen habe, zitiert ihn "Zeit Online".


Vergleiche mit Hosni Mubarak



Auch aus dem Mittleren Osten erntet Camerons Initiative Kritik und beißenden Spott. Wie "Zeit Online" meldet, hätten dortige Blogger bereits davor gewarnt, dass autoritäre Regime künftig auf Großbritannien verweisen könnten, wenn sie das Internet zensieren. Der ägyptische Blogger Mahmoud Salem kommentiert demnach: "Wenn Großbritannien Inhalte über die Unruhen in sozialen Netzwerken limitiert, dann erleben wir einen spektakulär entlarvenden Moment für die Regime der Ersten Welt."

Auch Daniel Hamilton, Vorsitzender des Verbandes "Big Brother Watch", plädiert für die Freiheiten der Nutzer im Netz. Er sagte, eine solche Zensur würde zu Vergleichen mit dem Regime des früheren ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak einladen.

Die britische Regierung müsse "der Versuchung entgehen", sich in populistischem Autoritätsdenken zu ergehen. Falls Cameron seine Forderungen umsetzt, hätte dies auch für die Polizei Konsequenzen. Wie die "Tageszeitung" (taz) meldet, nutzten diese auch die sozialen Netzwerke für ihre Zwecke, und manche "Briten organisieren dort sogar Aufräumarbeiten".



Erst mit den Protesten in der realen Welt zurecht kommen



Der Kommunikationssoziologe Jan-Hinrik Schmidt analysiert im Gespräch mit dem Nachrichtenportal "evangelisch.de", welchen Einfluss soziale Netzwerke auf den politischen Protest haben. Ähnliche Proteste wie jetzt in London habe es in der Vergangenheit immer wieder gegeben. "Mit den heutigen digitalen Technologien können sich Informationen besser verbreiten, und es entstehen neue Öffentlichkeiten, in denen sich Menschen austauschen", so Schmidt.



Dies bedeute aber nicht, dass die sozialen Medien ursächlich für die Geschehnisse und Proteste verantwortlich seien: "In London, Ägypten oder Tunesien waren die digitalen Medien ein Werkzeug, das es Menschen erleichtert hat, die eigenen Interessen zu koordinieren und zu mobilisieren". Die Herausforderung in und für England bestehe darin, zunächst einmal mit den Protesten in der realen Welt zurecht zu kommen. Mit dem "Social Web" werde allerdings deutlich, "was da gärt, was sich da formiert". Die Demonstrationen der Zukunft verlagerten sich nach Schmidts Ansicht und finden "eher durch kreative Online-Aktionen" statt.


Auch in Deutschland ist die Diskussion im Gange, an welchen Stellen Menschen überwacht werden können und dürfen: "Man muss befürchten, dass nichts, was man tut, von einer Instanz unentdeckt bleibt, die fern ist, unsichtbar und unangreifbar, sich aber jederzeit einschalten kann", schreibt der Blogger Don Alphonso etwa in dem Beitrag "Der Überwachungsgott ist tot" im "FAZ"-Blog. (pro)

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