(Keine) Gewalt in christlichen Familien

Eltern züchtigen ihre Kinder und geben dafür fromme Gründe an. Der Beitrag "Kinder schlagen im Namen Gottes" auf "NDR-Info" hat sich mit religiös motivierter Gewalt auseinandergesetzt und gleichzeitig zu einem Rundumschlag gegen evangelikale Christen ausgeholt.
Von PRO

Drei Beispiele aus der christlichen Szene nehmen die NDR-Autoren Christian Baars und Angelika Henkel zum Anlass, um das Thema Prügel in christlichen Familien unter die Lupe zu nehmen und mit einigen nicht ganz neuen Fakten zu ergänzen. Schon Ende der 90er-Jahre habe eine Bundestags-Kommission zu sogenannten Sekten und Psychogruppen festgestellt, dass in christlich-fundamentalistischen Gemeinden eine "mitunter deutliche Befürwortung disziplinierender, körperlicher Züchtigungen" verbreitet sei.

Die Bibel als Rechtfertigung für Schläge?

Auch ein umstrittenes Studienergebnis des Kriminologen Christian Pfeiffer, nach dem Kinder in evangelikalen Freikirchen besonders häufig geschlagen würden, zitieren Baars und Henkel. Zurück bleibt beim Hörer der Eindruck, Evangelikale schlügen ihre Kinder regelmäßig und rechtfertigten dies mit der Bibel.

"Wenn der NDR in seinem Beitrag berichtet, dass ‚Kinder aus evangelikalen Freikirchen‘ besonders häufig geschlagen werden, ist dies eine grobe Verallgemeinerung, mit der Tausende von evangelikalen Christen unter Generalverdacht gestellt werden", kritisiert der Geschäftsführer des Christlichen Medienverbundes KEP, Wolfgang Baake, den Beitrag. Von einer "mitunter deutlichen Befürwortung disziplinierender körperlicher Züchtigungen", wie es die NDR-Autoren Christian Baars und Angelika Henkel schreiben, könne im überwiegenden Teil der evangelischen Landes- und Freikirchen keine Rede sein.

"Damit verleumden die Autoren den großen Prozentsatz der gläubigen Eltern, die gewaltfrei und wertschätzend erziehen. In Freikirchen und Kirchengemeinden wird viel für die Jüngsten getan. Evangelikale Christen erziehen ihre Kinder liebevoll und fürsorglich", so Baake. Der Christliche Medienverbund KEP distanziere sich ausdrücklich von den im Beitrag zitierten Aussagen des Predigers Wilfried Plock, Kinder durch Schläge zu erziehen, sowie von derartigen Aufforderungen in einem christlichen Erziehungsratgeber. "Wir verurteilen jede Gewaltanwendung gegenüber Kindern", erklärt der vierfache Vater Baake.

Die Grünen im Niedersachsen haben Anzeige gegen Plock erstattet, weil er in öffentlichen Veranstaltungen zu körperlichen Züchtigungen aufgefordert haben soll. "Wer Kinder schlägt, begeht nicht nur Körperverletzung, sondern schädigt die Entwicklung eines Kindes für das ganze Leben", sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Miriam Staudte am Mittwoch in Hannover. Dieses Vergehen sei keine Privatangelegenheit von Eltern, zitiert die Onlineausgabe der "Welt".

Gewalt nicht durch die Bibel rechtfertigen

Die Oberlandeskirchenrätin der evangelischen Kirche in Hannover, Kerstin Gäfgen-Track, zeigte sich "völlig entsetzt". Sie habe derartige Erziehungsratgeber bisher nicht gekannt und verurteile dies "aufs Schärfste". "Kinder zu schlagen ist nach meinem biblischen Verständnis überhaupt nicht zu rechtfertigen. Die Bibel fordert vielmehr dazu auf, mit Kindern achtsam, sorgfältig, zärtlich und liebevoll umzugehen", sagt Gäfgen-Track im Interview mit "NDR-Info". Liebe sei der Weg, den die Bibel für die Kindererziehung vorschlage. Aber nicht jeder Bibeltext dürfe 1:1 übernommen werden.

Man könne nicht pauschal sagen, dass in evangelikalen Familien geprügelt werde. Es gebe auch streng religiöse Menschen, die ihre Kinder nie schlagen würden, so Gäfgen-Track. Dies hänge stark damit zusammen, wie biblische Texte ausgelegt würden.  Gewalttätiges Handeln durch die Bibel zu rechtfertigen sei "völlig illegitim" – sowohl das Tun als auch eine solche Interpretation der Heiligen Schrift. (pro)

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