Keine Angst vor sozialen Netzwerken

Übermäßige Kontrolle der eigenen Kindern ist ungesund. Das gilt auch für den Umgang mit Sozialen Netzwerken. Eltern sollten deshalb zusammen mit ihren Sprösslingen an das Thema „Social Media“ herangehen, anstatt Facebook und Co. abwehrend gegenüber zu stehen. Das empfiehlt eine vor kurzem veröffentlichte Studie des Medieninstituts „Jugend Film Fernsehen e.V.“ (JFF) in München.
Von PRO

„Teilen, vernetzen, liken. Jugend zwischen Eigensinn und Anpassung im Social Web“ heißt die Studie, die Ulrike Wagner, Direktorin des Instituts, und Forscher Niels Brüggen anlässlich des Safer Internet Days am heutigen Dienstag in der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien vorstellen.

Die Studie liefert Eltern und Pädagogen hilfreiche Anhaltspunkte für einen kompetenten Umgang mit sozialen Netzwerken. Grundlage dafür ist das Medien- und Selbstverständnis der Jugendlichen. Ulrike Wagner empfiehlt Eltern und Fachkräften, nicht von vornherein eine Abwehrhaltung gegenüber sozialen Netzwerken einzunehmen, sondern sich im Gespräch und im Miteinander mit den Jugendlichen mit dem Thema auseinander zu setzen. Denn nur ein kleiner Teil der Jugendlichen zeige ein problematisches Internetverhalten. Außerdem gebe es kaum Daten und Forschungen, die dem Internet einen Risikofaktor für Jugendliche belegen. Bei aller Sorge um das Wohl junger Leute sei es wichtig, das Recht auf Selbstbestimmung nicht durch übermäßiges Kontrollverhalten zu untergraben. Sonst könne das Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Kindern dauerhaft zerstört werden, zeigt die Studie.

Der Veröffentlichung des Projekts gingen bereits vier Studien voraus. Sie zeigen, welche Auswirkungen das Zusammenwachsen verschiedener Medien auf Jugendliche hat. Die Studien zur Medienkonvergenz bilden seit 2001 einen Schwerpunkt der Arbeit des JFF, das seit 1949 besteht und zu einem der ältesten Medieninstitute Deutschlands zählt.

Direkte Zusammenarbeit


Im Rahmen der Studie versuchten die Forscher, von den Jugendlichen selbst zu erfahren, was sie am Internet – insbesondere an Facebook – fasziniert. Außerdem fragte das Team nach den Herausforderungen, denen sich die jungen Nutzer dabei stellen müssen. Die Wissenschaftler arbeiteten dabei unter anderem in Workshops, wie zum Beispiel einem sechswöchigen Medienprojekt zum Thema „Soziale Netzwerke“, direkt mit den Jugendlichen zusammen.

„Soziale Netzwerke sind eng mit dem Leben Jugendlicher verschränkt“, berichtete Wagner. Es gehe nicht nur um scheinbar oberflächliche Kontakte. Eltern und Großeltern hätten oft kein Verständnis für die Zeit, die junge Leute in sozialen Netzwerken verbrächten. Dabei sei „Facebook ein Teil des echten Lebens der Jugendlichen“, sagte Wagner.

Elfjährige sind reif für Social Media

Einen ähnlichen Rat gibt auch Thomas Zeilinger, Professor für evangelischer Theologie und Dozent am Institut für Persönlichkeit und Ethik in Neuendettelsau. Der Theologe betont, dass Kinder ab elf Jahren schon in der Lage seien, verantwortlich mit sozialen Netzwerken umzugehen. Sie wüssten, was sie dort veröffentlichten.  Außerdem beeinflussten sich Jugendliche untereinander in ihrem Kommunikationsverhalten im Netz. „Die eigene Peergroup (eine Gruppe Gleichaltriger oder Gleichgestellter, Anm. d. Red.) ist ganz eindeutig eine wichtige Erziehungsinstanz“, ist der Professor überzeugt.

Ulrike Wagner weist darauf hin, dass der Austausch über Medienthemen unter den Jugendlichen   Lernprozesse anstoßen kann. „Jugendliche tauschen sich gerne über eigene Erfahrungen in sozialen Netzwerken aus und geben einander Tipps. Der Peergroup-Arbeit kommt in dieser Altersgruppe eine besondere Bedeutung zu", sagte sie.

In der Praxis: peer³

Dennoch müssten Kinder und Jugendliche in ihrem Umgang mit dem Internet und mit Sozialen Netzwerken angeleitet und betreut werden. Praktisch wird die Arbeit des JFF im Projekt „peer³“, welches das Institut zusammen mit dem evangelischen Studienzentrum Josefstal und weiteren Partnern durchführt. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend fördert das Projekt.

Peer³ unterstützt bundesweit Modellprojekte, die neue Konzepte für Jugendarbeit im Netz entwickeln. Wolfgang Schindler, Diplompädagoge und stellvertretender Studienleiter des Evangelischen Bildungsinstituts Josefstal, leitet das Projekts. "Für Menschen, die in dieser Welt christlich glaubend und lebend kommunizieren, ist Social Media eine gute Möglichkeit, ohne Hierarchien, sondern gleichberechtigt, miteinander zu kommunizieren. Aus christlicher Perspektive gesehen können alle Glieder am Leib Christi miteinander kommunizieren“, sagte er. Soziale Medien eigneten sich hervorragend für den partizipatorischen Ansatz. „Pädagogen sollten wir solche Strukturen ermöglichen und unterstützen“, sagte Schindler. Der Pädagoge setzt sich auch für ein besseres Verständnis der Onlinemedien ein: „Das Verstehen und Gestalten von Bildungs- und Kommunikationsprozessen zwischen Menschen ist der gemeinsame Nenner meiner beruflichen Arbeit.“ (pro)

http://www.peerhochdrei.de/
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