Die Ausschüsse sind so etwas wie der Maschinenraum des Deutschen Bundestags. Hier findet die Sacharbeit statt. Es wird um Kompromisse gerungen, bevor Gesetzesentwürfe ins Parlament kommen und dort verabschiedet werden. 24 Ausschüsse hat der Bundestag in der anstehenden Legislaturperiode.
Es ist guter Brauch, dass die Fraktionen sich diese Positionen aufteilen. So weit, so normal. Seit die AfD in den Bundestag eingezogen ist, hat sich das geändert. Als Kommunalpolitiker war ich bisher immer der Auffassung, dass man der AfD die Posten nicht verwehren darf, weil damit ein großer Teil des Wählerwillens ignoriert wird. Meine Befürchtung war: Die AfD geriert sich in der Opferrolle, schlachtet das aus und profitiert letzten Endes davon.
Für die gestrigen Wahlen im Bundestag hatte die CDU ihren Mitgliedern empfohlen, die AfD nicht zu wählen. Auch die SPD hatte mitgeteilt, dass ein AfD-Vorsitzender für sie ein No-Go sei. Posten für die Partei waren unter anderem im Ausschuss für Inneres, Arbeit und Soziales und dem mächtigen Haushaltsausschuss vorgesehen. Nirgends gelang es der AfD, Mehrheiten zu finden.
Keine neutrale Amtsführung
Die harsche Kritik der Partei folgte auf dem Fuß. Die größte Oppositionspartei werde von ihren parlamentarischen Rechten „abgehalten“, monierte Parteichef Tino Chrupalla. Co-Vorsitzende Alice Weidel sprach von einer „willkürlichen Diskriminierung von zehn Millionen Wählern der AfD“. Damit war die Agenda gesetzt.
Vielleicht hatten die Abgeordneten sich gestern aber auch an die Vergangenheit erinnert. 2017 hatte die AfD in Person von Alexander Gauland angekündigt, die etablierten Parteien zu „jagen“. Den Vorsitz im Rechtsausschuss bekam damals Stephan Brandner. Aber mit seiner neutralen Amtsführung nahm er es nicht so genau und äußerte sich offen rassistisch.
Kritiker sahen sich schon damals in ihrer Ablehnung bestätigt. Brandner wurde abgewählt. Gegen die Abwahl klagte er erfolglos. Vermutlich führten auch die innerparteilichen Entwicklungen und die Einstufung des Verfassungsschutzes der AfD als rechtsextrem dazu, dass die Parteien diese Personalien nicht unterstützen wollten. Nach dem Motto: Seht, was die AfD aus ihrer Chance gemacht hat. Rückenwind gab es auch vom Bundesverfassungsgericht. Das hatte im vergangenen Jahr geurteilt, dass die freie Wahl der Abgeordneten gelte und dass der AfD dieser Posten nicht „zustehe“.
Auch kommunalpolitisch ringen wir immer wieder um den richtigen Umgang mit der AfD. Soll eine demokratisch gewählte Partei ihre Sitze in den Fachgremien erhalten, wo gut und inhaltlich sinnvolle Arbeit stattfindet? Meine bisherige Meinung dazu habe ich kundgetan. Unsere jüngste Kreistagssitzung am Montag war ein Anlass dafür, das noch einmal zu überdenken.
Der Großteil der inhaltlichen Anträge, die dem Wohl der Bürger in unserem Landkreis dienen sollen, waren in ihrer mündlichen Begründung gespickt mit Hass-Tiraden gegen die lokalen Medien, die „Kartell-Parteien“, den „Gender-Wahnsinn“ und die Migrationspolitik der Regierung: völlig fach- und sachfremd.
Rückkehr zu sachlicher Politik
Selbst die politischen Neulinge merkten schnell, dass die Begründung nur dazu diente, Schlagzeilen zu produzieren oder geeignete Video-Schnipsel für die eigenen Social-Media-Kanäle. Der Grünen-Politiker Marcel Emmerich hat sein Wahlverhalten im Innenausschuss wie folgt begründet. „Wer unsere demokratischen Prozesse bewusst chaotisiert und mit völkischen Ideologien Menschen in unserem Land ausgrenzt, kann weder unsere Sitzungen leiten noch den Ausschuss nach außen repräsentieren.“
Der Kollege einer anderen Fraktion, mit dem ich schon häufiger über das Thema diskutiert habe, schickte mir im Nachgang zum Kreistag eine Nachricht: „Nachdem ich die AfD am Montag erlebt habe, finde ich es in Ordnung, wenn man ihr keinen Sitz gibt … in welchem Gremium auch immer.“ Er hat recht. Darüber hinaus würde ich mich freuen, wenn es uns mit sachlicher Politik auf allen Ebenen gelänge, die politischen Ränder zu verkleinern. Denn Parteien, die die Demokratie untergraben und gegen die Menschenwürde anderer agieren, sind für eine politische Weiterentwicklung nicht hilfreich.
Der Autor ist seit 2018 Mitglied der FWG-Fraktion im Kreistag des Lahn-Dill-Kreises (Hessen). Außerdem gehörte er zehn Jahre dem Gemeindeparlament seiner Heimatgemeinde Hüttenberg an. Dort hat er außerdem seit 2006 ein Mandat im Ortsbeirat.