Katholische Bischöfe von „großer Sorge“ erfüllt wegen möglicher Legalisierung der Abtreibung

Die Deutsche Bischofskonferenz blickt sorgenvoll auf den Abschlussbericht der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung der Regierung. Die Evangelische Kirche prüft noch.
Von Norbert Schäfer
Ein positiver Schwangerschaftstest führt nicht zwangsläufig zu einem Kind: die Zahl der Abtreibungen erreicht 2023 einen Höchststand

Eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission hat am Montag in Berlin ihre Empfehlungen zur „reproduktiven Selbstbestimmung“ und Fortpflanzungsmedizin veröffentlicht. Darin lautet es unter anderem zur Abtreibung: „Die grundsätzliche Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruchs in der Frühphase der Schwangerschaft ist nicht haltbar.“

Nach Meinung der Experten widersprechen die entsprechenden Regelungen im Strafgesetzbuch ab Paragraf 218 („Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs“) „in ihrer aktuellen Fassung dem erarbeiteten Ergebnis der verfassungsrechtlichen, völkerrechtlichen und europarechtlichen Prüfung“.

Bischöfe: Relativierung der Menschenwürde ist falsch

Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) hat „mit großer Sorge“ auf den Bericht der Kommission reagiert. Die katholischen Bischöfe halten die Ergebnisse zur Neukonzeption des Schwangerschaftsabbruchs „als zu einseitig“. Die Kommission widerspreche zentralen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (BVG) zur Menschenwürde und zum Lebensschutz Ungeborener. Die DBK hält eine „Relativierung der fundamentalen Würde jedes Menschen, auch des ungeborenen Kindes, und eine Relativierung, Einschränkung oder Abstufung des damit verbundenen Grundrechts auf Leben für falsch“.

Zu den zentralen anthropologischen Grundaussagen des christlichen Glaubens gehöre die Heiligkeit und Unantastbarkeit jedes individuellen menschlichen Lebens, das es deshalb nach Kräften zu schützen und zu entfalten gelte. „Für hochproblematisch und in sich widersprüchlich halten wir, dass gerade die Schutzbedürftigkeit des Ungeborenen und das völlige Angewiesensein auf die werdende Mutter eine Begründung für eine verminderte staatliche Schutzpflicht gegenüber dem ungeborenen Kind darstellen sollten“, lautet es in einer Erklärung der Bischöfe vom Montag.

Die DBK äußerte sich zudem zur möglichen Legalisierung von Leihmutterschaft, wie der Kommissionsbericht nahelegt. Die Bischöfe gaben an, „dass die Praxis der Leihmutterschaft die Würde der Frau und des Kindes verletzt“. Ein Kind solle nicht zu einem Objekt der Kommerzialisierung und die Frau, die das Kind austrägt, nicht instrumentalisiert werden. Die katholischen Bischöfe haben „erhebliche Zweifel“ dazu angemeldet, „dass rechtliche Regelungen, die in der Leihmutterschaft angelegten grundsätzlichen Probleme auflösen können“. Zu Recht vermute die Kommission, dass auch eine sogenannte altruistische Leihmutterschaft Teil eines Geschäftsmodells der Reproduktionsmedizin sein könne, hieß es. Zudem erscheine es paradox, von der Leihmutter im Sinne des Ungeborenen „eine hohe pränatale emotionale Bindung an das Kind und gleichzeitig eine möglichst problemlose nachgeburtliche Trennung von ihm“ zu erwarten. „Wir sprechen uns daher dafür aus, an den Verboten von Eizellspende und Leihmutterschaft in Deutschland festzuhalten“, lautet es in der Erklärung der Bischöfe.

Der innerkatholisch als liberal geltende Verein der Schwangerschaftskonfliktberatung, donum vitae, hat das in Deutschland bestehende Schutzkonzept, das sowohl das Selbstbestimmungsrecht der Frau als auch das Lebensrecht des ungeborenen Kindes berücksichtigt, verteidigt. Es unterstütze die Frau in ihrer Entscheidungsfreiheit und stärke somit auch den Schutz für das ungeborene Leben, hieß es in einer Mitteilung vom Montag. Der bestehende Kompromiss habe weitgehend zur Befriedung der Debatte um den Schwangerschaftsabbruch in Deutschland beigetragen. Der Vorsitzende des Vereins, Olaf Tyllack, kritisierte die Auffassung der Kommission, dass die Menschenwürde des ungeborenen Lebens in der Frühphase der Schwangerschaft ein geringeres Gewicht habe. Tyllack betonte, dass die aktuelle Regelung verfassungskonform sei und den Anforderungen des Grundgesetzes entspreche, welche dem ungeborenen Leben von Anfang an die gleiche Schutzwürdigkeit wie dem geborenen Leben beimesse. Tyllack sieht keinen Grund für einen Paradigmenwechsel und hält die vorgeschlagenen Änderungen für verfassungsrechtlich nicht haltbar.

EKD prüft noch

Die Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hatte sich im Oktober 2023 dafür ausgesprochen, Abtreibungen in der frühen Schwangerschaft außerhalb des Strafrechts zu regeln und nennt das ein „abgestuftes Lebensschutzkonzept“.

Demnach sei es denkbar, Abbrüche künftig erst ab der 22. Schwangerschaftswoche strafrechtlich zu ahnden. Das sei in etwa der Zeitpunkt, ab dem ein Kind außerhalb des Mutterleibes lebensfähig wäre. Der Rat der EKD hatte einer „vollständigen Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs“ jedoch eine Absage erteilt. Vor dem Hintergrund der Verpflichtungen des Staates für den Schutz des Lebens sei dies nicht vertretbar.
Zum heute veröffentlichten Bericht der Kommission hat sich die EKD bislang nicht geäußert. Nach Angaben des Evangelischen Pressedienstes (epd) prüft eine interne Arbeitsgruppe, die ethischen Aspekte einer möglichen Änderung der Rechtslage prüfen soll.

Die „Evangelischen Frauen in Deutschland e.V. (EFiD)“ hingegen begrüßten den Bericht. Deren Vorsitzende Angelika Weigt-Blätgen teilte mit: „Die Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes ist ein theologisch wie menschenrechtlich gebotener Schritt, der einen Paradigmenwechsel von der medizinischen Pathologisierung hin zur Selbstbestimmung von trans*, intergeschlechtlichen und nicht-binären Personen markiert.“

Der Bundesverband Lebensrecht (BVL) fürchtet, dass die Empfehlungen der Kommission Frauen im Schwangerschaftskonflikt in noch größere Nöte bringt. Besonders in den ersten Wochen einer Schwangerschaft, in denen die Kommission eine schrankenlose Abtreibungsfreigabe empfiehlt, bräuchten Schwangere „besonderen Schutz vor Abtreibungsdruck und einen zeitlichen Schutzraum für Lebensentscheidungen“. Diese beiden wichtigen Schutzfaktoren für Schwangere in besonderen Konfliktlagen – darunter vor allem sozial benachteiligte Frauen, junge alleinstehende Frauen und Frauen mit Migrationshintergrund – würden bei Umsetzung der Kommissionsvorschläge vollständig entfallen. Die Ergebnisse zeigten, „dass sich Abtreibungs-Protagonisten im Grunde weder für die betroffenen Menschen und ihre Lebenslagen noch für die fatalen Folgen im Hinblick auf die Wertebasis eines Staates und einer Gesellschaft interessieren“, lautet es in einer BVL-Erklärung vom Montag.

Fortgang weiter offen

Abtreibungen sind nach geltendem Recht in Deutschland grundsätzlich illegal und strafbewährt. Allerdings bleibt eine Frau, wenn sie nach einer Beratung innerhalb einer bestimmten Frist der Schwangerschaft das Kind abtreiben lässt, straffrei.

Für eine Neuregelung der gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Abtreibung empfiehlt die Kommission ein Drei-Phasen-Modell. Frühe Abtreibungen sollten erlaubt sein und nicht mehr wie bislang im Strafrecht reguliert werden. Ab der 22. Schwangerschaftswoche sollen Abtreibungen weiterhin verboten sein. Dies ist in etwa der Zeitpunkt, ab dem der Fötus außerhalb des Mutterleibes lebensfähig wäre. Dazwischen will die Kommission dem Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum einräumen, bis zu dem die Abtreibung erlaubt sein soll. Grundsätzlich soll nach dem Willen der Kommission eine Abtreibung möglich sein, wenn die Frau durch die Schwangerschaft ein Gesundheitsrisiko eingeht oder Opfer einer Vergewaltigung ist.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat am Montag offen gelassen, ob in dieser Wahlperiode eine Gesetzesänderung gemeinsam mit Finanzminister Marco Buschmann (FDP) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) noch angegangen werden soll und verwies auf die Gefahr der gesellschaftlichen Spaltung bei der Abtreibungsfrage. Man werde einen geordneten Prozess vorschlagen, „wie wir als Bundesregierung und Parlament damit umgehen“, erklärte Lauterbach.

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