Kardinal Marx: Rote Linie nicht überschreiten

Reinhard Kardinal Marx ist Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und seit zwei Jahren enger Berater des Papstes. Im Interview mit dem Nachrichtenmagazin Spiegel erklärt der Erzbischof von München und Freising, warum die Kirche in der Flüchtlingsfrage nicht schweigen darf, und was die Deutschen von der Familiensynode in Rom erwarten dürfen.
Von PRO
Kardinal Reinhard Marx bezieht im Spiegel-Interview Stellung zu aktuellen politischen und kirchlichen Themen
Die Ausschreitungen gegen die Flüchtlinge seien eine Schande, meint Reinhard Kardinal Marx in dem Spiegel-Interview. Aufgrund der Geschichte sei es unfassbar, dass solche menschenfeindlichen Parolen in Deutschland skandiert würden. „Ausländerfeindlich und katholisch zu sein geht nicht zusammen“, ergänzt der Theologe. Die Katholische Kirche mache die Flüchtlingsfrage vielfältig zum Thema, auch in ganz vielen Predigten.

Begegnungen schaffen

Es sei wichtig, den Flüchtlingen zu begegnen, um die Fremdenfeindlichkeit zurückzudrängen. Die Kirche investiere nicht nur Geld, sondern bringe sich mit hohem ehrenamtlichen Engagement ein. „In kirchlichen Kreisen sollten wir sehr gut aufpassen, wenn einer steile Thesen vertritt“, warnt Marx vor Grenzgängern am politischen Rand. Soziale Netzwerke beschleunigten die Debatten und führten oft zu einer undifferenzierten Auseinandersetzung. Es gebe eine rote Linie, die nicht überschritten werden dürfe, und deren Überschreiten für ihn als Bischof nicht akzeptabel und sogar unchristlich sei. Politisch wünscht sich Marx ein europäisches Konzept, „wie wir mit diesen Herkunftsländern umgehen, damit sie sich entwickeln können“. In seiner Beratertätigkeit bespreche er vier Mal im Jahr für drei Tage mit dem Papst und acht Kardinälen die anliegenden Entwicklungen. Ein wichtiges Thema sei die Transparenz der Kirche: dies betreffe sowohl ihre Finanzen, als auch die Missbrauchsfälle. Die Reformen bräuchten Zeit, aber es sei auch gut, dass sie jetzt angegangen würden: „Natürlich ändert sich durch Reformen der Glaube nicht.“ Der Glaube daran, dass Gott selbst die Kirche führt, mache ihn gelassen. Es gehe ihm persönlich nicht darum, die Kirche völlig umzukrempeln.

Ein kühnes Unterfangen

Mit Spannung erwartet Marx die Familiensynode im Herbst: „Gerade was Ehe und Familie angeht, wird das ein kühnes Unterfangen, weil hier vieles zusammenkommt: der Glaube, die Ideale und die ganz unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten der Menschen“, möchte Marx nicht in der Haut des Papstes stecken. Gemeinsame Überzeugungen zu finden, sei „sehr, sehr schwierig“. Zunächst gehe es darum, einander zuzuhören und nach der Botschaft von Ehe und Familie zu fragen: „Ich glaube schon, dass wir hier Schritte weitergehen können, aber nicht nach dem rheinischen Motto ‚wir nehmen das mal nicht so genau‘.“ Die Synode ist auch ein geistlicher Weg: „Wir brauchen Einmütigkeit, aber wir brauchen auch eine gewisse Öffnung, damit man pastoral auf unterschiedliche Situationen reagieren kann.“ Dazu gehöre die Frage, wie man mit Geschiedenen umgehe. Aus Marx’ Sicht bleibe die Kirche dann zukunftsfähig, wenn sie widerständig sei und Entschleunigung bringe: „Ich bin nicht gegen Wachstum, aber das Bruttoinlandsprodukt sagt doch nicht alles aus über den Fortschritt. Es wird aber alles reduziert auf diese Zahl, auch in Europa. Was nützen mir Wachstumsraten, wenn wir wie in China mit Gasmasken durch die Städte laufen müssen? Was ist denn das für ein Menschenbild? Leben heißt doch nicht, nur den Laptop aufzuklappen und zu rechnen. Es geht doch um die gesellschaftliche Entwicklung, und da ist die Stimme der Kirche wichtig“, fordert Marx. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/kirche/detailansicht/aktuell/reformationsjahr-2017-wird-oekumenisch-92576/
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/kirche/detailansicht/aktuell/der-neue-ton-von-kardinal-marx-89572/
Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen