Kardinal Kasper: „Höchste Zeit, von Gott zu reden“

In der Zeitschrift "Die politische Meinung" warnt der katholische Theologe Wilhelm Kardinal Kasper die Kirchen, "im gegenwärtigen pluralistischen Stimmengewirr" nicht zu rein moralischen Anstalten zu verkommen, sondern sich auf das Wesentliche zu besinnen: In "neuer und frischer Weise vom lebendigen, frei machenden Gott" zu reden.
Von PRO

In seinem Aufsatz „Die Gottesfrage als Zukunftsfrage“ für das von der Konrad-Adenauer-Stiftung herausgegebene Magazin zeichnet Kasper ein düsteres Bild des modernen Europa: Dieses sei weltweites Schlusslicht in Sachen Religion und stehe vor der historisch einmaligen Situation, zu einer gänzlich religionslosen Gesellschaft ohne „Bindung an Gott oder Göttliches“ zu werden. Der Atheismus, zunächst in philosophischer Gestalt zur Zeit der Aufklärung und den Thesen Nietzsches, trete in den letzten Jahren neu in Erscheinung; diesmal „in naturwissenschaftlichem Gewand“, warnt Kasper, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, in Anspielung auf die Diskussion um den neuen Atheismus à la Richard Dawkins.

„Bastelreligiösität“

Doch die vorherrschende einseitige Orientierung auf die „berechenbare und machbare Wirklichkeit dieser Welt“ bleibe nicht ohne Folgen. Aus dem Nicht-Glauben werde ein Un-Glaube. Zwar gelte: „Die wenigsten Menschen wollen in einer rein rationalen, technisch – funktionalen Welt leben“, so Kasper. Die allgemeine Skepsis gegenüber Religion, verstärkt noch durch den Zusammenbruch weltlicher Heilsversprechen wie des Kommunismus oder des modernen Fortschrittsglaubens, habe  zu einer „inneren Leere“ der Menschen geführt: „Religiöses und spirituelles Suchen hat zugenommen“, erläutert Kasper. Diese Wiederkehr der Religion führe jedoch nicht automatisch zum christlichen Glauben zurück, sondern zu „Esoterik, zu einer vagen, diffusen, frei florierenden Religiosität, zu einer (…) Bastelreligiosität“.

Trotz der negativen Folgen der neuen Offenheit sieht Kasper hierin Chancen für Theologie und die Kirchen. Sie müssten wieder das machen, was ihre „ureigenste Sache“ sei: Von Gott reden – und zwar von einem ganz konkreten Gott. „Er ist keine blasse Gottesidee von einem letzen, aber letztlich unfassbaren Horizont in oder hinter allen Dingen“, widerspricht Kasper dem Bild der modernen Gottesvorstellung: „Er ist der lebendige Gott, der sich als der Da-Seiende definiert. In Jesus Christus ist er in unsere Geschichte eingetreten, schwaches, menschliches Fleisch geworden. In dem Antlitz Jesu Christi ist er als menschenfreundlicher, barmherziger Gott aufgestrahlt.“

Kasper: „Sympathischer Gott“

Dawkins hatte Gott als die „unsympathischste Figur der Literaturgeschichte“ beschrieben – dem widerspricht der Kardinal heftig und meint, Gott sei ein „sympathischer Gott, ein Gott, der mitleidet“. Und in Erläuterung der Trinitätslehre, also der Lehre der Dreieinigkeit Gottes, verweist Kasper darauf, dass Gott „ein Gott der Gemeinschaft“ sei. Das gelte daher auch für die menschliche Natur. Der Mensch, so Kasper, könne seine Erfüllung nicht in der modernen „Selbstdurchsetzung“ finden:  „Nicht Gewalt, Geld, Macht und Einfluss, nicht Selbstdurchsetzung of the fittest, sondern Toleranz, Respekt, Solidarität, Verzeihen, Güte und praktische Liebe sollen den Gang der Welt bestimmen.“

Kasper schließt mit einem Aufruf: „Es ist also Zeit, von Gott zu reden, Gott zu bezeugen und zu denken. Wenn sich die Theologie im gegenwärtigen pluralistischen Stimmengewirr der Meinungen Gehör verschaffen will, dann muss sie zuerst und vor allem wissen, was sie selbst ist.“

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