Wichtig sei es zu sehen, „welche Formen des Widerstandes“ es in der DDR gegeben habe, sagte die Kanzlerin in ihrem Podcast und sprach damit besonders die Geschichte des kirchlichen Widerstandes an. Sie betonte die lange Historie der christlichen Aufstände und erinnerte etwa an die 60er und 70er Jahre, in denen Pfarrer jenen Unterschlupf boten, „die andere Gedanken hegten“. In Lesungen und Konzerten habe die Kirche ihre Werte demonstriert. Junge Menschen, so die Kanzlerin, hätten in den Kirchen eine Ausbildung gefunden, die ihren geistigen Fähigkeiten entsprach und die ihnen das Regime andernorts verwehrt habe. Eine „große Beruhigung“ und „Unterstützung“ seien die Kirchen in dieser Zeit für Viele gewesen.
„Möglichkeit, für Frieden und Abrüstung einzustehen“
In den 80er Jahren hätten die Kirchen jungen Menschen die Möglichkeit geboten, für Frieden und Abrüstung einzustehen, erklärte die Kanzlerin und erinnerte an die Abrüstungsinitiative unter dem biblischen Motto „Schwerter zu Pflugscharen“. In den Kirchen hätten die DDR-Bürger ihrer „Überzeugung nach einer friedlicheren Welt“ Ausdruck verleihen können. Die Blues-Messen in der Samariterkirche, zu denen sich vor allem jugendliche Widerständler trafen, oder die Umweltbibliothek in der Zionskirche hätten den politischen Einsatz der Christen in Berlin demonstriert.
Doch auch während der friedlichen Revolution, bei den Aufständen zwischen Sommer und Herbst 1989, sei das Engagement der Kirchen „von allergrößter Bedeutung“ gewesen. Friedensgebete habe es in fast allen Städten gegeben. Die Gotteshäuser seien jene Orte gewesen, in denen „Menschen ihren Überzeugungen nach leben konnten“ – und das, trotz der Gradwanderung, die Christen in der DDR hätten vollführen müssen. Zum einen hätten sie Andersdenkenden eine Heimat geboten, zum anderen seien sie immer auch selbst der Unterdrückung ausgesetzt gewesen. „Ohne die Arbeit der Kirchen, wäre vieles nicht so gelaufen, wie es gelaufen ist“, betonte Merkel in ihrer fünf-minütigen Ansprache. Deren „wesentliche Rolle sollte große Erinnerung erfahren“ und gewürdigt werden, so Merkel.
Angela Merkel wendet sich seit dem 8. Juni 2006 wöchentlich per Video-Podcast an die Öffentlichkeit. Merkel ist die erste Regierungschefin weltweit, die dieses Medium nutzt. Damit will sie den Bürgern mehr Zugang zur Politik der Großen Koalition verschaffen. Im Herbst dieses Jahres jährt sich die friedliche Revolution und damit der Widerstand gegen das DDR-Regime zum zwanzigsten Mal. (PRO)