Kandidat der Grünen wird Österreichs Bundespräsident

Mit Alexander van der Bellen wird erstmals ein Kandidat der Grünen das formal höchste Amt in Österreich bekleiden. Auch weite Teile der christdemokratischen ÖVP haben sich im mittlerweile dritten Wahlgang für den 71-jährigen früheren Wirtschaftsprofessor ausgesprochen.
Von PRO
Der Grüne Alexander Van der Bellen (rechts im Bild) hat FPÖ-Kandidat Norbert Hofer bei der Bundespräsidentenwahl in Österreich besiegt

Mit einem überraschend deutlichen Ergebnis hat Alexander van der Bellen am Sonntag die österreichische Bundespräsidentschaftswahl gewonnen und zieht damit am 26. Januar 2017 in die Wiener Hofburg ein. Der – offiziell unabhängige – Kandidat der Grünen erzielte einen Vorsprung von 6,6 Prozentpunkten gegenüber dem hochrangigen FPÖ-Funktionär und ausgebildeten Flugzeugtechniker Norbert Hofer, der für die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) ins Rennen gegangen war. Van der Bellen – ehemaliger Wirtschaftsprofessor und langjähriger Parteiobmann der österreichischen Grünen – erreichte 53,3 Prozent der Wähler, während Hofer 46,7 Prozent erlangte. Dabei handelt es sich um das vorläufige Endergebnis ohne Briefwahlstimmen. Durch großen Abstand kann sich dieses Ergebnis allerdings de facto nicht mehr ändern.
Unter enormem Medieninteresse haben beide Kandidaten am frühen Sonntagabend in einem provisorischen Pressezentrum in der Wiener Hofburg ihre ersten Interviews gegeben. Der EU-freundliche Kandidat Van der Bellen freut sich erwartungsgemäß über seinen Sieg und glaubt, „dass heute ein rot-weiß-rotes Signal von Österreich an die Hauptstädte der Europäischen Union ausgeht: Jawohl wir sind dabei und wir werden dabei sein“. Die Partei seines Gegenkandidaten Norbert Hofer hat in der Vergangenheit mehrfach angedeutet, unter gewissen Umständen den Austritt Österreichs aus der Europäischen Union (Öxit) anzustreben. Unterdessen zeigt sich Norbert Hofer erwartungsgemäß enttäuscht: „Das tut sehr weh. Man wird jetzt sehen, wie sich die Dinge weiterentwickeln.“

Unfreundlicher Wahlkampf in Sozialen Medien

Meinungsforscher hatten unterdessen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden Kandidaten vorausgesagt. Auch Werner Kogler – Abgeordneter der Grünen im österreichischen Nationalrat – erklärt gegenüber pro: „Ich bin selber überrascht, dass es so klar ausgegangen ist“. Der gebürtige Steirer glaubt: „Die klare Haltung gegen Hass- und Hetzkampagnen und eine positive, proeuropäische Haltung hat die Österreicher dann doch noch mit dieser Mehrheit angesprochen.“
Der Wahlkampf zur Präsidentschaftswahl dauert mittlerweile seit einem Jahr an. Gerade in Sozialen Medien kam es dabei immer wieder zu abwertenden Äußerungen auf beiden Seiten. So hat ein früherer Landesparteivorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) Nobert Hofer als „Nazi“ bezeichnet, während in FPÖ-nahen Kreisen Gerüchte gestreut wurden, dass der 72-jährige nunmehrige Wahlsieger Van der Bellen „krebskrank“ und „dement“ sei. Kommentatoren haben Österreich nach dem zweiten Wahldurchgang im Mai als gespaltenes Land bezeichnet. Kogler hält dies für übertrieben, glaubt aber: „Es waren Kampagnen und neue politische Methoden kombiniert mit antisozialen Medien, die hier Veränderung gebracht haben. Das ist schon eine gefährliche Entwicklung“.

FPÖ spricht von „Einheitsfront“ gegen Hofer

Auch Andreas Mölzer – ehemaliger FPÖ-Abgeordnete im Europäischen Parlament – spricht gegenüber pro von „Gräben“ im Land und einer „konfrontativen Wahl“, die aber trotzdem friedlich geblieben sei. Mölzer ist jedenfalls zuversichtlich, „dass man die Gräben, die aufgerissen wurden, auch zuschütten kann“. Der deutschnationale Publizist erklärt sich den deutlichen Sieg Van der Bellens mit einer „Mobilisierung, die von einer Einheitsfront von allen politischen Parteien, allen etablierten Medien und auch von größten Teilen der Gesellschaft – von den Kirchen bis zur Gewerkschaft – gebildet wurde“.
Das Wahlergebnis sei aber demokratisch zu akzeptieren. Unterdessen hat FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache angekündigt, auf eine neuerliche Anfechtung der Hofburgwahl zu verzichten. Dass es überhaupt einen dritten Wahlgang gegeben hat, ist die Konsequenz einer erfolgreichen Wahlanfechtung durch die FPÖ vor dem österreichischen Verfassungsgericht im Sommer dieses Jahres. Damals hat das Höchstgericht den zweiten Wahlgang – die Stichwahl zwischen Van der Bellen und Hofer im vergangenen Mai – wegen Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung der Stimmen für nichtig erklärt.
Neben den Sozialdemokraten haben sich auch weite Teile der christdemokratischen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) in der Vergangenheit für den Kandidaten der Grünen ausgesprochen. Auch wenn die ÖVP keine offizielle Wahlempfehlung abgeben hat, hat sich etwa Parteichef Reinhold Mitterlehner als Van-der-Bellen-Wähler deklariert. Als einziger hochrangiger ÖVP-Funktionär erklärte hingegen der stellvertretende Parteiobmann Reinhold Lopatka – studierter Theologe und Jurist –, Norbert Hofer zu wählen. Daraufhin hatte der Parteichef seinen Stellvertreter zu einem „klärenden Gespräch“ geladen.
Gegenüber pro sieht der ehemalige ÖVP-Europapolitiker Franz Fischler den Wahlausgang als „gutes Ergebnis für unser Land und für unser Ansehen im Ausland“. Zu den größten Herausforderungen für den Österreichs neuen Bundespräsidenten gehöre es, „dass er – wenn er es ernst meint – glaubwürdig darstellen muss, tatsächlich ein Präsident für alle Österreicher und Österreicherinnen werden zu wollen“. (pro)Österreich-Wahl: Hofer wirbt mit Gott (pro)

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