Käßmann beklagt Verlust biblischen Wissens

Die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann hat in einem Interview mit "Spiegel Online" bedauert, dass viele Deutsche die Inhalte des christlichen Glaubens nicht mehr kennen. Dass biblisches Wissen schwinde, sei besonders im Land der Reformation "bedrückend".

Von PRO

Wer den eigenen Glauben kenne, sei auch offener für den Dialog mit Andersgläubigen, sagte Käßmann im Interview. Sie findet es "peinlich", dass "in unserem Land Menschen gar nicht wissen, warum Feiertag ist". Stille Zeiten wie Bußtag und Ewigkeitssonntag oder Totensonntag im November würden "ja gar nicht ausgehalten, da muss die Weihnachtsdeko schon im Oktober her". Das gelte auch für die Passionszeit. "Lange vor Ostern wimmelt es schon von Küken und Eiern, und der Inhalt geht darüber völlig verloren."

Gegensteuern möchte die Pfarrerin allerdings nicht damit, "jetzt jeden Gottesdienst ‚flotter‘ zu machen". "Da gilt es, sich dem Druck nach ständig Neuem auch zu widersetzen und zu sagen: Tradition hat ihren Wert, es muss eine Balance geben zwischen Tradition und Innovation", erklärte sie. Käßmann ist überzeugt, dass etwa die Zehn Gebote auch heute noch eine Grundorientierung für ein friedliches Zusammenleben von Menschen geben. Sie seien "die Absage an das Begehren, an die Neidkultur" und damit eine "gewichtige Mahnung". Käßmann sagte weiter: "Ich freue mich, dass die Menschen in unserem Land wissen: Weihnachten ist ein kirchliches Fest. Und ich hoffe, es erreicht sie die Botschaft, dass es ihrer Seele guttut, innezuhalten, zu singen und zu beten und sie sich sagen."

Im Leiden von Gott gehalten

Über ihren eigenen Umgang mit der Bibel sagte sie: "Es ist das Buch, in dem wir dem Glauben unserer Mütter und Väter im Glauben begegnen. In dem wir über das, was Jesus uns hinterlassen hat, wahrnehmen können, wie Gott ist. Das gibt mir als glaubendem Menschen Halt, ist als Theologin für mich Grundlage der Verkündigung und als Wissenschaftlerin ungeheuer spannend." Sie schöpfe Kraft aus den Schlussversen der Josefsgeschichte, aus dem ersten Buch Mose: "Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen." Sagen zu können: Mein Leben hatte Höhen und Tiefen, aber sie sind beide bei Gott aufgehoben, gebe ihr Halt. Ebenso, wie die überlieferten Worte Jesu am Kreuz: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" "Dass er selbst ringt, zweifelt, leidet, ist für mich beeindruckend. Gott kennt selbst Leid und Gottverlassenheit. So kann ich mich selbst in Leid und Gottverlassenheit anvertrauen", erklärte die Luther-Botschafterin. Sie müsse nicht fragen: Warum ich? Warum schickt Gott Leid?, sondern dürfe darauf vertrauen, dass sie im Leiden und Sterben von Gott gehalten sei. Glaube und Vernunft schlössen sich nicht aus. Aber am Ende sei Glauben Gottvertrauen, auch wenn die Existenz Gottes wissenschaftlich nicht nachzuweisen sei.

Käßmann verwehrte sich gegen den Gedanken, "das Evangelium irgendwo hinter Mauern abschotten zu können". "Wenn in der Bibel steht, wir sollen die Fremden unter uns nicht bedrücken und bedrängen, dann kann ich nicht sagen, das hat nichts mit Flüchtlingen bei uns zu tun." Wenn Jesus sage: "Selig, die Frieden stiften", habe das etwas mit unserer Welt zu tun. "Die Bibel hat einen Realitätsbezug und stellt so Menschen heute in Verantwortung für diese Welt, von der wir glauben, dass sie Gottes Welt ist", sagte Käßmann. (pro)

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