Juristen tagen zur „Vierten Gewalt“

Ihre Bundestagung widmete die überkonfessionelle Initiative „Christ und Jurist“ in diesem Jahr der Mediengesellschaft. Vom 8. bis zum 10. Mai beschäftigten sich rund 80 Teilnehmer in Vorträgen und Workshops mit der „Vierten Gewalt“ – den Medien.
Von PRO
Dr. Matthias Cornils ist Professor für Medienrecht, Kulturrecht und öffentliches Recht an der Universität Mainz
Juristen kennen die Rechtsstreitigkeiten, wenn Pressefreiheit und allgemeines Persönlichkeitsrecht, Meinungsfreiheit und Religionsschutz gegeneinander abgewogen werden müssen. „Auch vor diesem Hintergrund wollen wir uns mit den Medien beschäftigen“, erklärte David Kästle, Vorstand von „Christ und Jurist“, gegenüber pro das Anliegen der Tagung. Der ehemalige Bundesverteidigungsminister und Jurist Franz Josef Jung (CDU) verwies in seinem Beitrag auf die christlich-jüdischen Wurzeln und Werte des Grundgesetzes. „In einer immer schneller sich entwickelnden Mediengesellschaft müssen diese Werte auch in Zukunft noch Geltung erhalten, weil sie die Grundlage sind für eine freiheitliche, demokratische und rechtsstaatliche, aber auch für eine friedliche Entwicklung in unserem Land“, sagte der Politiker. Es gelte, darauf zu achten, dass die Werte des Grundgesetzes auch in den Medien Niederschlag finden.

„Meinungsfreiheit ist nicht absolut“

Als Mitglied des ZDF-Fernsehrates ging Jung auf den Druck bei den Medienschaffenden ein. „Heute ist jeder auf die schnelle Meldung aus“, sagte er. Der ZDF-Fernsehrat habe beispielsweise ausgiebig über die Berichterstattung über den Absturz der German-Wings-Maschine diskutiert. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten könnten bei unklarer Informationslage „nicht einfach die Hände in den Schoß legen und darauf warten, dass sich die Lage klärt“ und die Berichterstattung dem Privatfernsehen überlassen. Im Zusammenhang mit den Attentaten auf das französische Satiremagazin Charlie Hebdo erinnerte Jung an die Verantwortung der Medienschaffenden. „Die Meinungsfreiheit ist eben nicht absolut. Sie ist natürlich unter dem Aspekt der Menschenwürde zu sehen. Die Diskussion war damals nicht zu führen“, sagte Jung. Der Rundfunkstaatsvertrag verpflichte die öffentlich-rechtlichen Sender dazu, „die Achtung vor Leben, Freiheit, körperlicher Unversehrtheit, vor Glauben und Meinung anderer zu stärken, die sittlichen und religiösen Überzeugungen der Bevölkerung zu achten“, betonte der promovierte Jurist.

Gott ist keine Rechtsperson

Der Mainzer Medienrechtler Matthias Cornils stellte in seinem Vortrag „die spürbare Zuspitzung und Klimaverschärfung religiös motivierter Auseinandersetzungen bis hin zu den furchtbaren Entartungen terroristischer Anschläge auf die Presse- oder Kunstfreiheit in Paris, Kopenhagen oder Dallas“ fest. Prüfe man die Verletzung religiöser Gefühle auf der juristischen Ebene der Beleidigung, komme man sehr schnell zu dem Ergebnis, dass dies sehr schwierig sei. Die deutsche Rechtsordnung sei in erster Linie auf den subjektiven Schutz der Person hin ausgerichtet. Demnach sei Gott aber keine Rechtsperson. Gott könne daher in dieser Rechtsform von Menschen gar nicht verletzt werden. Was verletzt würde, seien die Gefühle der Gläubigen. Hier sei die Frage, wie das Verhältnis der Meinungsfreiheit gegenüber dieser religiösen Gefühlswelt juristisch zu bewerten sei.

Die „fünfte Gewalt“

„Die Funktion der Medien ist innerhalb der Demokratie systemrelevant“, konstatierte der Politikwissenschaftler und Journalist Christoph Irion. Er betonte in seinem Referat die Potenziale der im Grundgesetz verankerten Meinungs- und Pressefreiheit in Deutschland. Anders als etwa in China, Russland und der Türkei werde die Presse hierzulande nicht reglementiert oder unterdrückt. Im Fernsehen werde christliche Lebenswirklichkeit jedoch oft einseitig oder völlig überzeichnet dargestellt. Insgesamt stellte der Geschäftsführer des Christlichen Medienverbundes KEP einen Wandel der Religionsdarstellung in den Medien fest. Irion unterstrich die Chance, Christliches in die Medien zu bringen. Die Rundfunkstaatsverträge etwa billigten den Kirchen und Religionsgemeinschaften Verkündigungs-Sendungen in Eigenverantwortung zu. „Die Kirchen sind selbst gefordert, diese Sendeplätze optimal zu nutzen“, sagte Irion. Christen hätten durch verschiedene soziale, karitative oder künstlerische Angebote die beste Chance, mit guten Nachrichten in den lokalen Tageszeitungen wahrgenommen zu werden. „Für die allermeisten Haushalte in Deutschland ist die regionale Tageszeitung noch immer das zentrale Informations-Medium“, sagte Irion. In professioneller Öffentlichkeitsarbeit von Kirchen und Gemeinden sieht er eine große Möglichkeit, um christliche Angebote und Initiativen vor Ort über die Lokalpresse zu kommunizieren. Irion erklärte, wie soziale Medien und mobiles Internet das Verständnis von Demokratie verändern. „Die sozialen Medien erlauben es den Menschen, zu den verschiedensten Themen direkt ihre Meinung zu äussern“, sagte er und bemängelte, dass in den Diskussionen „der Ton rauer“ werde. Ein Grund für die Verschlechterung der Umgangsformen sei die „Anonymität des Internet“. Diese sei mitverantwortlich dafür, dass sich ein „quasi rechtsfreier virtueller Raum“ herausbilde, der jede Beleidigung dulde und bisweilen Formen der Anarchie annehme. „Die sozialen Medien sind mittlerweile zu einer fünften Gewalt geworden“, stellte Irion fest.

„Recht auf Vergessen“

Rechtsanwalt Frank Schilling ging auf Anfrage von pro auf das „Recht auf Vergessen“ im Zusammenhang mit Internet-Suchmaschinen ein. „Hat eine Person eine geringfügige Straftat begangen und die Lokalzeitung berichtet auf ihrer Internetseite darüber, dann ist denkbar, dass der Sachverhalt noch Jahre später über eine einfache Google-Suchanfrage wiedergefunden wird. Selbst dann, wenn das eigentliche Vergehen aus dem Strafregister längst gelöscht ist“, erklärte Schilling. Die von Google bereitgestellten Suchergebnisse zu Personen führten daher oft zu einseitigen Informationen. „Nahezu jeder kann sich zeitlich uneingeschränkt über Google mit nur wenigen Klicks ein Profil einer Person zusammenbasteln. Dabei ist unklar, nach welchen Kriterien Google die Suchergebnisse ausgibt. Im Einzelfall kann dies jedenfalls erhebliche Nachteile für den Betroffenen haben“, bemängelte Schilling. Eine gesetzliche Regelung zum Recht auf Vergessen gebe es bislang noch nicht, erklärte der Anwalt. Google habe bislang nur eine Expertenkommission eingesetzt, um die vom Europäischen Gerichtshof (EUGH) vorgegebene Rechtsprechung zum „Recht auf Vergessen“ und deren Kriterien näher zu bestimmen. „Christ und Jurist“ ist nach eigenen Angaben eine Initiative von Christen verschiedener Konfessionen in juristischen Berufen. Ziel des Vereins ist, Christsein und Juristsein enger miteinander zu verbinden. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/detailansicht/aktuell/pressefreiheit-spott-ueber-gott-91702/
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/detailansicht/aktuell/blasphemie-und-ihre-rechtlichen-grenzen-90859/
https://www.pro-medienmagazin.de/medien/internet/detailansicht/aktuell/wieviel-shitstorm-ist-erlaubt-91947/
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