„Die Berliner Republik ist eine Mediendemokratie geworden“, schreibt Julia Klöckner, eine gläubige Katholikin. Dabei hätten Journalisten und Politiker vieles gemeinsam, konstatiert sie. „Jeder kennt jeden, jeder braucht jeden – und einige brauchen sich eben mehr.“ Der „gemeinsame Beschleunigungstrip“ von Politikern und Journalisten sehe keine Ruhezonen vor. „Im digitalen Zeitalter geht es um Präsenz und Deutungsmacht. Der eine will gesendet und gedruckt, der andere gehört und wahrgenommen werden.“
„Cicero“ veröffentlicht einen Auszug aus ihrem neuen Buch „Schmierfinken: Politiker über Journalisten“, das im Juni im Verlag Heyne erscheint. Die 36-Jährige war vier Jahre katholische Religionslehrerin und Chefredakteurin des „Sommelier Magazins“ in Neustadt an der Weinstraße. Sie studierte Politikwissenschaften, Theologie und Pädagogik. Seit 2002 ist sie Mitglied des Deutschen Bundestages.
Klöckner zeichnet ein kritisches Bild vom typischen „Hauptstadtjournalisten“. „Sie berichten nicht, was tatsächlich passiert. Manchmal schon, weil es zum Tagesgeschäft gehört. Dennoch: Wichtig ist der Bericht, der zu mehr Status, zu mehr Zugängen, mehr Aufmerksamkeit, schnellerer Karriere führt.“
Die Kriterien, nach denen sich sowohl Politiker als auch Journalisten ihre Gesprächspartner aussuchten, seien bei beiden Berufsgruppen ähnlich: Die Suche nach dem Vorteil und der eigene Nutzen. „Kommt dabei gelegentlich ein guter, sauberer, sachlich korrekter Artikel zustande, handelt es sich nicht selten um Zufall.“
Politiker müssten sich oft fragen: „Vertrauen wir einem Journalisten, weil wir ein Thema wichtig finden und riskieren damit, dass wir massiv beschossen werden? Oder sagen wir uns pragmatisch: Angesichts der Skandalisierungslust schließen wir die Schotten lieber.“ Der „Stereotypensprech“, der Politikern „vielfach zu Recht“ vorgeworfen werde, sei nichts anderes als eine „Schutzhaltung gegenüber Ieichthändig fabulierenden Medienvertretern“. Klöckner behauptet: „Paradox, aber wahr: Medien erzeugen erst die Hinterzimmerpolitik, die sie kritisieren.“
Der Quäler, der Schleimer und der Kompetente
Klöckner macht in ihrem Beitrag drei Typen unter den politischen Journalisten in Berlin aus. Zum Typ 1 gehöre der „Quäler“. Dieser meist jüngere Vertreter des Journalismus habe „große Ambitionen“: „Er will eines Tages zum Spiegel oder zum ZDF. Deswegen ist jede seiner Geschichten als Enthüllung angelegt.“ Dabei sei er nicht darauf aus, zu verstehen oder zu erklären, sondern zu entlarven. „Er versteht es, aus jedem Bonbonpapier neben dem Mülleimer eine Geschichte von Watergate-Dimension zu drechseln.“ Sein Weltbild sei simpel: „Alle Politiker sind Gangster.“ Daraus legitimiere er auch sein eigenes Treiben. Denn: er stehe schon deswegen immer auf der richtigen Seite, „weil der Politiker natürlich immer auf der falschen steht“.
Solche Journalisten seien von Politikern gefürchtet. „Weniger weil sie lästig sind, sondern weil das Ergebnis des Beitrags von vornherein feststeht: eine Niederlage. Verweigert man sich allerdings solchen zeitraubenden und zugleich ergebnislosen Gesprächen, nährt man den Verdacht, man habe etwas zu verbergen. Ist man nett, will man vertuschen. Ist man sachlich knapp, will man mit der Wahrheit nicht herausrücken. So ähnlich muss es im Mittelalter bei der Inquisition gewesen sein: Es gibt keinen Ausweg.“
Kaum weniger anstrengend sei Typ 2: „Der Schleimer“: „Der schlichte Schleimer will einfach nur dazugehören zu den Entscheidern. Er nickt fortwährend, stellt Fragen, die mit ‚Finden Sie nicht auch …‘ beginnen und berichtet bereitwillig alles, was er von seinen anderen Informanten erfahren hat.“ Ein Trick des „Schleimers“ sei es, ein „perfides kleines Netz aus Gefälligkeiten und Aufmerksamkeiten“ aufzubauen, für das er eines Tages allerdings den Preis verlange.
Den „Kompetenten“ zählt Klöckner zum Typ 3: „Ein Journalist, der erstens sein Handwerk versteht, zweitens fair und drittens womöglich sogar noch angenehm im Umgang ist. Der Kompetente ist meist unaufdringlich, souverän und uneitel. Je atemloser die unentwegte Hatz nach Neuigkeiten tobt, desto wichtiger werden die Leitartikel, oft auch Beiträge im Feuilleton der großen Zeitungen oder die Kommentare in den Radio- und Fernsehbeiträgen. Da wird eingeordnet, draufgeguckt, manchmal missinterpretiert, aber fast immer Lehrerreiches produziert.“ (PRO)