Jugendstudie: Die neuen „Mini-Erwachsenen“?



Wie sieht die aktuelle Lebenswelt der Jugendlichen aus? Die heute vorgestellte Sinus-Studie hat untersucht, wie die 14- bis 17-Jährigen in Deutschland im Jahr 2012 ticken. Sie identifiziert sieben Lebenswelten bei den Jugendlichen. Die Studie kommt außerdem zu dem Ergebnis, dass Jugendliche aus prekären Verhältnissen ausgegrenzt werden.
Von PRO


Für die (vermeintliche) "Generation Facebook" gilt zudem, dass sie auf unsichere Berufsaussichten und Leistungsdruck mit Pragmatismus statt mit Protest reagiert. Auch das Streben nach mehr Sicherheit spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle. Weil sich die untersuchte Altersgruppe in verschiedenen Lebenswelten bewegt, geht die Studie der Frage nach, wie Jugendliche in diesen Welten ihren Alltag erleben. Die Befragten beschreiben ihre Wertevorstellungen und die Einstellungen zu Themen wie Schule, Berufswünschen, Glaube, Engagement und Medien. Darüber hinaus schildern sie ihre Hoffnung, ihre Ängste und ihre Art zu leben.



Gemieden und ausgegrenzt



Die Studie teilt ihre Zielgruppe in sieben Kategorien ein. Dabei gibt es die "konservativ-bürgerliche" Lebenswelt, zu der Bodenständige mit Traditionsbewusstsein und Verantwortungsethik gehören, die "adaptiv-pragmatische" – dahinter verbergen sich leistungs- und familienorientierte Jugendliche mit hoher Anpassungsbereitschaft – und die "sozialökologische" Lebenswelt, zu der nachhaltigkeits- und gemeinwohlorientierte Jugendliche zählen.

 Zu den "materialistischen Hedonisten" gehört die spaß- und freizeitorientierte junge Unterschicht mit ausgeprägten Konsumwünschen, "experimentalistische Hedonisten" haben ihren Fokus auf dem Leben im Hier und Jetzt. "Expeditive" wiederum beschreibt die Studie als lifestyleorientierte Netzwerker auf der Suche nach neuen Grenzen und unkonventionellen Erfahrungen, während sich "Prekäre" um Orientierung und Teilhabe bemühen, aber schwierige Startvoraussetzungen haben und Durchbeißermentalität brauchen.

 Sie alle unterscheiden sich in ihrer Art zum Teil eklatant.

Jugendliche aus prekären Lebensverhältnissen sehen sich oft als chancenlos: "Wir haben keine Chance auf eine Berufsausbildung und ein Arbeitsverhältnis", sagen sie. Sie fühlen sich von ihrer Umwelt gemieden und ausgegrenzt – vor allem von Jugendlichen aus der Mitte der Gesellschaft. Die Auftraggeber der Studie bilanzieren, dass sich vor allem die Politik und die Gesellschaft dafür einsetzen müssen, dass diese Jugendlichen nicht "abgehängt" werden.



Weltfremder Unterricht?



Allen Lebenswelten gemeinsam sei trotz unterschiedlicher Wertevorstellungen ein wachsendes Bedürfnis nach Sicherheit, Freundschaft und Familie. Erklärt werden diese "Regrounding"-Tendenzen als eine Reaktion auf gestiegenen Leistungsdruck, zunehmende Gestaltungsoptionen und die Unsicherheit, wie sich das Leben entwickeln wird. Auf viele Unsicherheiten des Lebens reagierten die Jugendlichen wie "Mini-Erwachsene", die immer früher damit beginnen (müssen), das Leben und die Karriere aktiv zu gestalten.



An ihren Schulen wünschen sich die Jugendlichen kompetente, empathische Lehrer mit Ausstrahlung. Sie wollen individuell gefördert werden und praxisnah lernen. Bedenklich dürfte die Aussage sein, dass die Inhalte des Unterrichts wenig mit dem Alltag der Jugendlichen zu tun haben. Zwar hätten die 14- bis 17-Jährigen kein Interesse an institutionalisierter Politik, Parteien oder Verbänden, aber sie seien bereit, sich für andere einzusetzen und gegen konkrete soziale Probleme im eigenen Umfeld vorzugehen.



Die Studie veranschaulicht mit Collagen der Jugendlichen zum Thema "das gibt meinem Leben Sinn" und Fotos von Jugendzimmern, wie unterschiedlich diese ihren Alltag bewältigen und gestalten. Damit fließen nicht nur Ergebnisse ein, sondern die jungen Menschen kommen auch selbst zu Wort – eben durch schriftliche Selbstzeugnisse und Zitate.des Wissenschaftlerteams um Marc Calmbach war es, sie in ihrer Alltagswelt abzuholen, um sie verstehen zu können. Die unterschiedlichen Lebenswelten stellen heraus, wo und wie Jugendliche heute überall Sinn suchen und finden.

Ab 1. April im Buchhandel



Die Studie wurde in Auftrag gegeben von der Bischöfliche Medienstiftung der Diözese Rottenburg-Stuttgart, vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend, der Bundeszentrale für politische Bildung, der Deutschen Kinder- und und Jugendstiftung, dem Hilfswerk "Misereor und dem Südwestrundfunk. Ab dem 1. April ist sie im Buchhandel erhältlich. Herbst kommt die Studie als Band in der Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) heraus. (pro)

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