Jugendmedienschützer mahnten Reality-Serien und Gewaltfilme an

Für Kinder und Jugendliche sind bestimmte Fernsehbeiträge ungeeignet. Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) hat im vierten Quartal des Jahres 2009 insgesamt 40 Verstöße gegen das Jugendmedienschutzgesetz festgestellt. Die Beobachter mahnten etwa Gewaltszenen an sowie auf Jugendliche "desorientierend" wirkende Darstellungen von Schönheitsoperationen und Alkohol- und Zigaretten-Genuss.
Von PRO

Die Kommission für Jugendmedienschutz nimmt gemäß dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) die Aufsicht über Rundfunk und Internet ("Telemedien") wahr. Mitglieder sind sechs Direktoren der Landesmedienanstalten sowie sechs vom Bund und den Ländern benannte Sachverständige. Die Kommission hat sich seit ihrer Gründung 2003 nach eigener Aussage mit rund 3.460 Fällen in Rundfunk und im Internet befasst. Gemeinsam mit den Landesmedienanstalten prüft die KJM potenziell problematische Rundfunkangebote. Im Internet unterstützt jugendschutz.net die KJM bei der Aufsicht.

Reality-Serien, Spielfilme, aber auch Trailer angemahnt

Die Experten bemängelten Verstöße, die laut § 5 JMStV eine Entwicklungsbeeinträchtigung für Jugendliche darstellten. Solche Angebote müssen durch eine Zeitgrenze oder im Internet durch technische Mittel vor den Augen von Kindern und Jugendlichen geschützt werden.

Eine Entwicklungsbeeinträchtigung für unter 16-Jährige (Sendezeitgrenze 22 bis 6 Uhr) verzeichnete die KJM etwa in der Serie "Cold Case – Kein Opfer ist je vergessen", die Pro Sieben nach 20 Uhr ausgestrahlt hatte. Es waren laut KJM unzumutbare gewalthaltige, drastische und spekulative Bilder von erschossenen, schwer verletzten und stark blutenden Menschen zu sehen sowie eine Vergewaltigung. "Solche Szenen können jugendliche Zuschauer nachhaltig ängstigen", so die Kommissionsmitglieder. "Zudem können sie dadurch in Bezug auf Gewalthandlungen desensibilisiert werden."

Auch einige Trailer für Spielfilme mit einer Freigabe der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) für Jugendliche ab 16 Jahren hatten Pro Sieben und Premiere (jetzt Sky) im Tagesprogramm platziert. Bei acht Folgen von "Extrem schön! – Endlich ein neues Leben" (RTL 2) kritisierte die KJM, dass Schönheitsoperationen ausschließlich positiv dargestellt wurden. "Die Wirkung so einseitiger Berichterstattung auf jugendliche Zuschauer, bei denen die Akzeptanz des eigenen Körpers zur Identitätsfindung gehört, ist kritisch zu sehen." Eine Entwicklungsbeeinträchtigung könne nicht ausgeschlossen werden, "wenn Schönheits-OPs als einzige Lösung zur Steigerung des Selbstwertgefühls dargestellt werden".

Bei Folge acht der RTL-Reality-Serie "Erwachsen auf Probe" rügte die KJM, wie die jugendlichen Protagonisten 13- bis 16-jährige Teenager betreuen sollten. "Zum einen wurden, trotz des angeblich pädagogischen Anspruchs der Sendung, ein 15-Jähriger rauchend und – angedeutet – ein 13-Jähriger Bier trinkend vor der Kamera präsentiert, was einen Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz (JuSchG) darstellt. Zum anderen überschritten die betreuenden Jugendlichen immer wieder persönliche Grenzen der in ihrer Obhut befindlichen Jugendlichen in drastischer Weise. Dies kann auf jüngere Jugendliche desorientierend wirken, da sie noch nicht so konkrete Vorstellungen haben, wo persönliche, intime Grenzen verlaufen und wann diese überschritten sind", urteilten die Experten.

Drei Spielfilme – "Novocaine" und "Die Masche der Männer", die beide bei ANIXE liefen, sowie "Lost Heaven" (Pro Sieben) – stellten nach Meinung der Beobachter aufgrund von Gewaltdarstellungen und nicht altersgerechten Themen ebenfalls einen Verstoß dar. Auch einen Erotik-Werbeclip im Nachtprogramm von DSF, der pornografische Darstellungen enthielt, bemängelten die Experten. Dies sei nach § 4 JMStV im frei empfangbaren Fernsehen unzulässig.

Eine weitere Sendung, die in die Kritik geriet, war das Reality- Format "We are family" auf Pro Sieben. Hier sei vermittelt worden, das Geldverdienen durch Zurschaustellung des nackten Körpers sei Normalität. Eine Folge von "Big Brother" auf VIVA zeigte zwei Frauen in der Dusche, wobei der Schnitt ausschließlich auf deren Brüste abstellte. "Dadurch wurden die Frauen als bloße Objekte dargestellt, was vor allem in Bezug auf jüngere Zuschauer zu problematisieren ist", so die KJM.

Die Dokumentation "Auftrag Frieden – Die UN im Kongo" im Tagesprogramm von "Discovery Geschichte" enthielt drastische Szenen mit Bildern getöteter und verstümmelter kleiner Mädchen. Auch der Musikvideoclip von Pink zu dem Titel "Please don’t leave me", den MTV tagsüber ausstrahlte, habe für unter Zwölfjährige nachhaltig ängstigend wirkende drastische Gewaltdarstellungen enthalten, so die Medienfachleute.

Indizierung wegen Porno-Webseiten

Im Internet fielen den Experten im vierten Quartal 2009 neun Verstöße gegen das Gesetz zur Darstellung von Pornografie auf, die "nur ausnahmsweise innerhalb geschlossener Benutzergruppen zugänglich gemacht werden" darf. In etwa 60 Fällen beantragte die KJM die Indizierung eines Anbieters bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM). Die Anträge bezogen sich zum Großteil auf pornografische Internetangebote zumeist ausländischer Anbieter.

Die KJM beschloss – je nach Art und Schwere der Verstöße – Beanstandungen, Untersagungen oder Bußgelder. Die entsprechenden Verwaltungs- und Ordnungswidrigkeitenverfahren führen die jeweils zuständigen Landesmedienanstalten durch. (pro)

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