Juden, Christen, Muslime und der eine Gott

Seit Wochen skandieren bundesweit Tausende auf den Straßen, der Islam passe nicht zur „jüdisch-christlichen Tradition“ des Abendlandes. Die Staatlichen Museen zu Berlin steuern nun dagegen – mit einer Ausstellung über das Miteinander der Weltreligionen in der Geschichte.
Von PRO
„Apa Abraham“: Das Tafelbild des Bischofs Abraham von Hermonthis aus dem späten 6. Jahrhundert stammt aus einem ägyptischen Kloster nahe Luxor
„Die friedliche Koexistenz der Weltreligionen ist ein Thema von großer Aktualität“, findet Michael Eissenhauser, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin. Deshalb eröffnet das Bode-Museum in Berlin am 2. April die Gemeinschaftsausstellung „Ein Gott – Abrahams Erben am Nil. Juden, Christen und Muslime in Ägypten von der Antike bis zum Mittelalter“. Über 250, teilweise noch nie gezeigte Objekte aus Ägyptens reichem kulturellen Erbe sollen das zumeist friedliche, zum Teil aber auch durch Konflikte belastete Nebeneinander der drei Buchreligionen und ihre Geschichte in den jeweiligen Kontext setzen. In Ägypten haben Judentum, Christentum und Islam die längste gemeinsame Tradition. Trotz dieser weltpolitischen Brisanz geht es in der Ausstellung aber nicht vorrangig um die politischen Beziehungen zwischen Juden, Christen und Muslimen. Neben religiösen Themen steht vor allem das alltägliche Miteinander im Fokus. Die Direktorin des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung, Friederike Seyfried, will auf diesem Weg zeigen, dass das Miteinander der drei Religionen im Mittelalter sehr gut funktionierte. Zwar habe es Konflikte zwischen den Religionsgruppen bis hin zu Verfolgungen gegeben. Deren Nebeneinander verlief aber überwiegend harmonisch, so Seyfried bei der Vorstellung der Ausstellung.

Glauben alle an denselben Gott?

Die Exponate reichen von den frühesten Spuren jüdischen Lebens in Ägypten aus dem fünften vorchristlichen Jahrhundert bis zur muslimischen Herrschaft im zwölften Jahrhundert. Neben vielen griechischen, hebräischen, koptischen und arabischen Schriftzeugnissen sollen Alltagsgegenstände, Handwerkskunst und Schmuckstücke ein Bild der Koexistenz von Juden, Christen und Muslimen am Nil zeichnen. Gesicherte Zahlen zur Religionsverteilung in Ägypten zu dieser Zeit gibt es nicht. Als historisch erwiesen gilt aber, dass selbst im zwölften Jahrhundert unter islamischer Herrschaft die Mehrheit der Ägypter noch Christen waren. Ausgewählte Schriftstücke aus einer Alt-Kairoer Synagoge belegten zudem ein „blühendes Judentum“ in Ägypten für diese Zeit, erklärte Seyfried. Anhand der archäologischen und kulturhistorischen Artefakte, darunter einzigartige Leihgaben aus England und Frankreich, wollen die Ausstellungsmacher die kulturellen Überschneidungen der Religionsgemeinschaften zeigen. Zwischen den Religionen gab es regen Kontakt und Austausch. Von den Wechselwirkungen zwischen den Glaubensgemeinschaften zeugten nicht nur die „religionsübergreifenden Leitfiguren“ wie Abraham, Joseph, Moses, Maria oder der Erzengel Gabriel, heißt es in einer Mitteilung der Staatlichen Museen zu Berlin. Abraham, der Titelgeber der Ausstellung, sei als „der Urvater und Archetypus für den Glauben an den einen Gott“ das Bindeglied zwischen den Religionen. Auf Nachfrage von pro erklärte Museumsdirektorin Seyfried dazu: „An Abraham zeigt sich, dass letztlich alle drei an denselben einen Gott glauben“. Trotz aller Gemeinsamkeiten und alltäglichen Berührungspunkte wolle die Ausstellung den Blick auch immer wieder auf die Konflikte zwischen den Glaubensrichtungen lenken. Der einst rege Austausch der drei Glaubensgemeinschaften untereinander im Mittelalter sei „im 21. Jahrhundert nahezu erloschen“. Den Bogen in die heutige Zeit und zur aktuellen Lage in Ägypten wollen die Ausstellungsmacher mit einer eigens angefertigten Dokumentation spannen. In Kurzfilmen sollen dem Besucher Einblicke in die Lebenswelt moderner Juden, Christen und Muslime ermöglicht werden.

Keine Reaktion auf Charlie Hebdo

Der Leiter der Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst, Julien Chapius, erklärte gegenüber Medienvertretern, die Ausstellung sei nicht „als Reaktion auf Charlie Hebdo“ entstanden. Sie habe zwar einen hohen Gegenwartsbezug, sei aber bereits lange vor dem Anschlag in Paris Anfang Januar geplant gewesen. Das Bode-Museum will mit der Ausstellung einen „Dialog der Kulturen“ anstoßen. Obwohl die Vorstellung, der Gott der Bibel sei der Gott des Korans, bei Gläubigen auf Unbehagen stoßen mag, bestehen die Veranstalter darauf, keinen religiösen Einheitsbrei servieren zu wollen: „Die Widersprüche sollen klar zur Sprache kommen“, sagte Chapuis. (pro)
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