„Judas-Evangelium“: keine neuen Erkenntnisse über Jesus

K a i r o (PRO) - Wissenschaftler haben am Donnerstag erstmals eine Übersetzung des apokryphen "Judas-Evangeliums" veröffentlicht. Das Ergebnis bietet allerdings keinen Stoff für eine Verschwörungstheorie à la Dan Brown. Nach Ansicht der Forscher wirft es vielmehr Licht auf die Geschichte des frühen Christentums.
Von PRO

Das Dokument wurde im 3. oder 4. nachchristlichen Jahrhundert in der koptischen Sprache der ägyptischen Christen verfasst und in griechischen Buchstaben aufgeschrieben. Offenbar handelt es sich um eine Übersetzung des griechischen Originals. Erstmals erwähnt wurde das von der Lehre der Gnostiker inspirierte „Judas-Evangelium“ im Jahr 180 vom Kirchenvater Irenäus, der Bischof von Lyon war. Der genaue Text war hingegen bisher unbekannt. In den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde das koptische Papyrus-Dokument in einer Höhle bei El-Minja in der ägyptischen Wüste entdeckt. Auf Umwegen gelangte es schließlich in den Besitz der Schweizer Maecenas-Stiftung. Unter der Leitung des Genfer Koptologen Rodolphe Kasser wurde der Text auf den teilweise schlecht erhaltenen Papyrus-Blättern entziffert, teilweise rekonstruiert und übersetzt.

Im „Judas-Evangelium“ erhält der Verräter Judas Iskarioth eine andere Rolle als in den vier Evangelien, die im Neuen Testament enthalten sind. Er wird zum Gehilfen Jesu. „Du wirst sie alle übertreffen. Denn du wirst den Menschen opfern, der mich kleidet“, lässt der Verfasser Jesus zu dem Jünger sagen. Das berichtet „Spiegel Online“ unter Berufung auf die „National Geographic Society“. Demnach habe Jesus selbst Judas darum gebeten, ihn zu verraten, damit er sich von seiner körperlichen Hülle befreien und seine Bestimmung erfüllen könne.

Diese Interpretation passt zur Lehre der Gnosis („Erkenntnis“), einer Sekte, die in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten eine Rolle spielte. Die Gnostiker lehrten ein Gottesbild, das sich radikal von dem der christlichen Kirchen und Glaubensbekenntnisse unterscheidet. Sie differenzierten zwischen einer Welt des Geistes und einer verdorbenen Welt der Materie. Der „eigentliche“, wahre Gott gehört bei ihnen zur Geisteswelt und ist strikt von dieser getrennt. Aus diesem Grund unterscheiden die Gnostiker zwischen einem körperlichen Leib Jesu, der am Kreuz hing, und seinem wahren, geistigen Leib, der zuschaute, als sein Körper gekreuzigt wurde.

Neben dem „Judas-Evangelium“ waren in frühchristlicher Zeit weitere gnostische Evangelien in Umlauf. Als die Kirche im 4. Jahrhundert festlegte, welche Bücher das Neue Testament enthalten sollte, wurden sie nicht in den Kanon aufgenommen, weil sie der biblischen Lehre widersprachen.

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