Der katholische Journalist und Medienunternehmer Klaus Kelle gehört zu jenen CDU-Mitgliedern, die an ihrer Partei zunehmend verzweifeln. Die AfD gäbe es nicht, wenn Kanzlerin Angela Merkel ihren Job ordentlich gemacht hätte, schreibt er in seinem neuen Buch „Bürgerlich, christlich, sucht … Biete Meinung statt Mitte“. Neben Merkel, unter der das Meinungsspektrum in der CDU enger geworden sei, kritisiert Kelle umfangreich und pointiert politische Missstände, die Deutschland derzeit beschäftigen.
„Es ist ein Irrsinn, zu beobachten, wie wir in diesen freien und liberalen Gesellschaften unsere erbittertsten Feinde einladen, sie versorgen und finanzieren und ihre Vorbereitungen auf Bluttaten nicht einmal dort wirkungsvoll stören, wo wir es könnten“, schreibt er über die Sicherheitslage, nennt Beispiele für islamistischen Terror in Deutschland und zeichnet das unglaubliche Versagen der Behörden im Fall Anis Amri nach.
„Großangriff auf traditionelle Familie“
Kelles Buch ist ein politisch inkorrekter Streifzug durch die aktuelle Lage in Politik und Medien der Bundesrepublik, gespickt mit persönlichen Erinnerungen, Anekdoten und Kommentaren. Wie bei thematisch ähnlich aufgebauten Werken von Peter Hahne oder Henryk M. Broder sollte der Leser ein Interesse für das subjektive Erleben des Autors mitbringen. Tut er das, wird er belohnt. Kelle beschreibt seine Hinwendung zum katholischen Glauben, und dass er damit Freunden aus evangelischen Freikirchen oft näher steht als solchen aus den Landeskirchen. „Natürliche Verbündete“ nennt er evangelikale Christen und Katholiken im Gespräch mit pro, wenn es darum geht, für christliche Werte in der Gesellschaft einzustehen.
Das Christentum sieht Kelle im Aufwind: „Unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung findet ein berauschendes Revival des Christlichen statt“, schreibt er, und nennt als Beispiele die Jugend-Evangelisation „Christival“ und die „Mehr“-Konferenz des Gebetshauses Augsburg.
Natürlich kommt der Autor, verheiratet mit der Journalistin Birgit Kelle, um das Thema Familie in seinem Buch nicht herum: Er kritisiert einen „Großangriff“ auf die traditionelle Familie, die das letzte Bollwerk gegen die Allmacht eines Staates sei, der seine Bürger erziehen und verändern möchte. „Und fast das Schlimmste: Wir alle finanzieren und organisieren das mit“, empört sich Kelle.
Online-Magazin als Alternative zu großen Medien
Seit gut drei Monaten ist Kelle mit einem neuen Medienprojekt am Start. Mit der Online-Zeitung The GermanZ will er aktuelle Nachrichten für ein bürgerliches Publikum bieten. Dabei will er sich von bekannten Meinungsseiten wie der Achse des Guten oder Tichys Einblick abheben: „Wir sind kein Blog, wir sind eine Tageszeitung, die alle wichtigen Themen abdeckt“, erklärt er.
Entsprechend finden sich auf der Seite auch Klatsch- und Sportberichte, zu vielen Themen werden Agenturmeldungen veröffentlicht. Alleinstellungsmerkmal sind Kolumnen von Kelle und einer Handvoll Gastautoren aus seinem Umfeld. Das Projekt, gesteht Kelle ein, steckt in den Kinderschuhen, und hat noch Luft nach oben.
Kelle beschreibt sich – trotz CDU-Parteibuch – selbst als jemanden, der wie die bürgerliche Mitte insgesamt politisch heimatlos geworden ist. Entsprechend wird sowohl im Buch als auch in der neuen Online-Zeitung kritisch über alle Parteien berichtet. Kelle gelingt es glaubwürdig, sich nicht von einer Interessengruppe vereinnahmen zu lassen: Er sieht Angela Merkel kritisch, erteilt als überzeugter Transatlantiker aber gleichzeitig dem Lager der „Putin-Versteher“ eine Absage. Als Trump-Fan will er auch nicht abgestempelt werden – sowieso sei es noch zu früh, dessen Amtszeit zu beurteilen.
Es wird spannend sein zu sehen, wo und wie sich die bürgerliche Mitte im Wahljahr 2017 positioniert. Kelle, diesen Eindruck gewinnt der Leser, hat ein gutes Gespür für diese Gruppe. (pro)
Von: mb