Jochen Klepper auf der Spur

Jochen Klepper gilt als einer der begabtesten Kirchenlieddichter der neueren Zeit. Vor genau 70 Jahren, am 11. Dezember 1942, fand sein Leben unter dramatischen Umständen ein jähes Ende. Seinen Anfang nahm es 1903 im idyllischen Schlesien. In ihrer "Romanbiografie" spürt die Schriftstellerin Elisabeth Eberle dem Lebensgefühl des Pastorensohns nach.
Von PRO

Die Dichtungen Jochen Kleppers berühren ebenso wie sein Lebenslauf. Dass bereits viel über ihn geschrieben wurde, gibt Eberle unumwunden zu. Warum also noch mehr nachlegen? Der Schriftstellerin geht es darum, einen persönlichen Zugang zu Klepper anzubieten. Auf der Grundlage seiner umfangreichen Tagebucheinträge, seiner Gedichte und Romane malt sie sich Handlungen und Gedanken im Verlauf seines Lebens aus.
 
Die künstlerische Freiheit erlaubt viele Wege, dieses Vorhaben anzugehen. Eberle lässt chronologisch einzelne Lebensszenen aufeinander folgen. Den Anfang bildet die Kindheit in Schlesien, wo Klepper mit vier Geschwistern in einer Pastorenfamilie aufwuchs. "Einen so stattlichen Vater und eine schöne Mutter zu haben war doch ein Privileg, und dazu in einem großen Haus mit so vielen Annehmlichkeiten zu leben", stellt sich Eberle Kleppers Gedanken vor.
 
Risse im Idyll
 
Dem Vater, den er auch für dessen Predigten bewunderte, wollte er nachstreben. Selbstzweifel traten immer hinzu, nicht zuletzt wegen seiner kränklich-schwachen Natur. Das Theologiestudium in Erlangen und später Breslau empfand die Künstlerseele als zu seelenlos. Dies alles entnimmt der Leser den zu Teil erdachten Selbstreflexionen und Gesprächen Kleppers. Hin und wieder wünscht man sich Klarheit darüber, was daran erdacht und was echt ist.
 
Doch letztlich muss der Leser, wie bei jedem Buch, dem Verfasser Vertrauen entgegenbringen – in diesem Fall, dass Erdachtes nicht allzu abwegig dargestellt ist. Die belegenden und erklärenden Fußnoten sind hier hilfreich. Vertrauen zahlt sich bei diesem Buch jedenfalls aus. Eberle bringt Klepper dem Leser nahe mit seinen Erfolgen und seinem Versagen, mit Lebensfreuden und Lebenskämpfen, die alle Hand in Hand gingen.
 
Erfolg hatte er zunächst beruflich, mit seiner Anstellung beim Evangelischen Pressedienst in Breslau. Besonders angetan hatten es ihm aber das damals neue Medium Radio. Hinzu kam das Ambiente seiner Wohnstadt. Er genoss die Architektur und Kultur der Stadt: Oper, Konzerte und das neuartige Kino, Kontakt zu Künstlern und Intellektuellen. "Es bedeutete ihm etwas, sich mit schönen Dingen zu umgeben, die von Wert waren. Sie taten seiner Seele wohl, gerade auch im Alltag."
 
Aus dem Leben in Breslau schöpfte er aber Stoff für seine Gedichte und Romane, an denen er immerzu schrieb. Seine Arbeit an einem Mode-Roman führte auch zum ersten vertrauten Geprächen mit Johanna Stein, bei der er 1929 im Alter von 26 Jahren zur Untermiete einzog. Die 13 Jahre ältere Witwe mit jüdischen Wurzeln entstammte einer Modedynastie. Die beiden kamen sich näher: "Zunehmend spürten beide, wie die bloße Anwesenheit des anderen gut tat."
 
Es hätte alles so schön sein können. Klepper war erfolgreich mit dem Roman "Der Kahn der fröhlichen Leute" (1933), das Familienleben mit den beiden Stieftöchtern glückte. Doch die äußeren Umstände schnitten in das traute Glück ein: die Wirtschaftskrise zehrte am Vermögen der eigentlich wohlhabenden "Hanni", es wurde schwerer, Romane und Artikel zu verkaufen. Hinzu kam der Antisemitismus, der sich in der eigenen Familie gegen Hanni wandte und in der Öffentlichkeit immer selbstverständlicher wurde.

Der letzte Ausweg
 
Eberle treibt vor allem die Frage um, warum die Kleppers nicht viel früher dem Wahnsinn des Nationalsozialismus ins Ausland entrannen. Wenig Wagemut einerseits und die Hoffnung, dass Gott noch alles wenden möge andererseits, ist ihre Antwort. In Berlin bauten sich die Kleppers noch ein Haus in nobler Umgebung. Schließlich hatten sie es mit dem Ausland versucht, die Ausreise wurde aber abgelehnt. In einer zerfahrenen und ausweglosen Situation – das Konzentrationslager drohte seiner Frau und seiner Stieftochter – nahmen sie sich das Leben.
 
Die "Romanbiografie" ist mit interessanten Details zum Alltagsleben und der Persönlichkeit Kleppers versehen. Das Buch lohnt sich daher auch für Leser, die das Leben Kleppers in groben Zügen bereits kennen. Vor allem aber bietet das Buch einen leichtgängigen Einstieg zu einer komplexen Persönlichkeit. (pro)

Elisabeth Eberle, Jochen Klepper. Licht in dunkler Nacht, Adeo-Verlag, 232 Seiten, 16,99 Euro. 
 
 

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