Jetzt ist der NDR im Fokus

Die Aufarbeitung des RBB-Skandals um Intendantin Patricia Schlesinger wirkt sich auch auf andere ARD-Rundfunkanstalten aus. Der NDR-Landesrundfunkrat prüft gerade Vorwürfe politischer Einflussnahme. Die MDR-Landesfunkhauschefin ist am Freitag vorsorglich zurückgetreten.
Von Johannes Blöcher-Weil
Ein NDR-Gebäude in Hamburg

Führungskräfte des NDR Schleswig-Holstein stehen im Verdacht, auf die Berichterstattung des Senders Einfluss genommen zu haben. Im Fokus stehen dabei der heutige Chefredakteur von NDR Schleswig-Holstein, Norbert Lorentzen, und Politikchefin Julia Stein.

Wie das Portal Business Insider berichtet, geht es dabei um einen Konflikt zwischen dem zurückgetretenen Innenminister Hans-Joachim Grote und seinem CDU-Parteikollegen und Ministerpräsident Daniel Günther. Beim Beitrag eines NDR-Reporters seien mehrere Texttafeln Grotes mit Vorwürfen gegen Günther entfernt worden. Auch das anschließende Interview mit Grote habe die Chefredaktion untersagt.

„Es darf keine politischen Filter geben“

Der NDR hatte am 24. August die Vorwürfe eines „politischen Filters“ zurückgewiesen, dann aber seine Stellungnahme revidiert. Am Montag tagte der NDR-Landesrundfunkrat Schleswig-Holstein und kündigte eine umfassende Prüfung an. „Wir nehmen die erhobenen Vorwürfe sehr ernst“, sagte Vorsitzende Laura Pooth am Montag. Es dürfe „selbstverständlich keine politischen Filter“ geben. Zur Klärung der Vorwürfe wolle man eventuell externen Sachverstand hinzuziehen.

Wie die Business-Insider-Recherchen ergaben, haben in der Vergangenheit neun Journalisten des Landesfunkhauses in Kiel Missstände beim NDR angeprangert. Die anonymen Zeugen sprechen dabei unter anderem von einem „Klima der Angst“ in der Redaktion. Berichterstattung werde teilweise verhindert und kritische Informationen heruntergespielt. NDR-Führungskräfte in Kiel würden wie „Pressesprecher der Ministerien“ handeln.

Das Nachrichtenportal Stern verwies auf einen Brief von 72 Mitarbeitern. Diese fordern von der Funkhausspitze eine „lückenlose und transparente Aufarbeitung aller Vorwürfe“. Alle Mitarbeiter sollten „zeitnah und vollumfänglich über die weiteren Vorgänge informiert und am Aufarbeitungsprozess beteiligt werden“.

Rücktritt beim MDR wegen eines „persönlichen Fehlers“

Beim MDR hatte am vergangenen Freitag die Landesfunkhausdirektorin in Sachsen-Anhalt, Ines Hoge-Lorenz, ihr Amt niedergelegt und dabei auf einen „persönlicher Fehler“ verwiesen. Sie habe es bei ihrem Amtsantritt versäumt, klar darüber zu informieren, dass ihr Ehemann vor mehr als zehn Jahren in den Fall des früheren MDR-Unterhaltungschefs Udo Foht involviert war.

Wie der Evangelische Pressedienst meldet, muss sich Foht ab September vor Gericht wegen mutmaßlichen Betrugs, Untreue, Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung verantworten. Der MDR hatte Foht einst entlassen, vor dem Arbeitsgericht wurde ein Vergleich zwischen Manager und Sender getroffen. Hoge-Lorenz war seit Anfang 2021 Landesfunkhausdirektorin des MDR in Sachsen-Anhalt.

„Ich möchte nicht, dass meine Integrität infrage gestellt wird und dem MDR Schaden entstehen könnte“, erklärte sie. Intendantin Karola Wille nahm die Entscheidung von Hoge-Lorenz „mit großem Respekt und Bedauern“ zur Kenntnis. Bis zur Neubesetzung wird der Direktor des Landesfunkhauses Sachsen, Sandro Viroli, die Position kommissarisch übernehmen.

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